Bundestag:Wahlrechtsreform entzweit Abgeordnete

Bundestag: Groß geworden: Der Plenarsaal des Deutschen Bundestags während einer Debatte.

Groß geworden: Der Plenarsaal des Deutschen Bundestags während einer Debatte.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Vorschläge zur Verkleinerung des Bundestags werden von CSU- und SPD-Politikern aus dem Landkreis ganz unterschiedlich bewertet. Katrin Staffler ruft gar gleich nach dem Richter.

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Der Bundestag soll seine gesetzlich vorgesehene Größe von 598 Mitgliedern nicht überschreiten. Das betonen Bundestagsabgeordnete aus CSU, SPD, FDP und Grünen immer wieder. Momentan hat das deutsche Parlament jedoch 736 Mitglieder. Nun wirbt die Regierungskoalition für eine Abschaffung der Ausgleichs- und Überhangmandate. Damit könnte die Normgröße des Parlaments zuverlässig gesichert werden. Doch ehe eine Diskussion über den Gesetzesentwurf von SPD, Grünen und FDP beginnt, ruft die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler bereits nach dem Richter.

Sie begrüße zwar, dass es einen konkreten Vorschlag für eine Wahlrechtsreform gebe, sagt Staffler, die den Wahlkreis Fürstenfeldbruck als direkt gewählte Abgeordnete vertritt, äußert aber gleichzeitig Zweifel daran, dass der Vorschlag der Regierungskoalition verfassungskonform ist. Der Grund für ihre Zweifel: Das neue Wahlrecht kann dazu führen, dass nicht mehr jeder direkt, also mit der Erststimmenmehrheit gewählte Wahlkreisbewerber in den Bundestag einzieht. In Bayern beträfe eine solche Regelung vor allem die CSU.

116 Abgeordnete statt 92

Deren Kandidaten lagen bei der Wahl 2021 in 45 von 46 Wahlkreisen vorn. Die CSU schickte alle 45 Direktkandidaten nach Berlin. Allerdings verzeichnete die Partei nur knapp 32 Prozent der Zweitstimmen. Das bedeutete, dass SPD, Grüne, FDP, AfD und Linke Ausgleichsmandate erhielten. Statt 92 Bundestagsabgeordnete hat der Freistaat deshalb 116. Das soll künftig nicht mehr möglich sein. Etliche CSU-Direktkandidaten müssten dann auf einen Sitz im Bundestag verzichten, denn die CSU bekäme von den 92 Bayern-Sitzen nur so viele ab, wie es ihrem Zweitstimmenergebnis entspricht.

Stafflers Fraktionskollege Michael Kießling teilt die Zweifel der Fürstenfeldbrucker Politikerin. Der Wähler wisse nicht, was mit seiner Stimme passiere, sagt Kießling, im Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering direkt in den Bundestag gewählt. Es würde ein Kandidat gewählt, der dann gar nicht ins Parlament komme. Das führe zu Politikverdrossenheit, sagt der CSU-Politiker.

Erhalt der Wahlkreise

Anders bewertet der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi aus Olching den Vorschlag zur Reform des Wahlrechts. Er spricht von einem richtigen Weg, um zum Ziel, einer Beschränkung des Bundestags auf seine Regelgröße, zu kommen. Die Alternative zu Änderungen der Bedeutung der Erststimmen wäre eine Verringerung der Wahlkreise gewesen. Doch die sollen nach Schrodis Ansicht nicht größer werden. Dieser Meinung ist auch Kießling. Für ihn käme deshalb höchstens eine moderate Verringerung von momentan 299 auf 280 Wahlkreise in Frage. Schließlich solle der Abgeordnete im Wahlkreis eine "Verankerung" haben.

Von einer "dringlichen Aufgabe" spricht Beate Walter-Rosenheimer. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Fürstenfeldbruck stört, dass der Bundestag um ein knappes Viertel größer ist, als vom Gesetzgeber definiert. Im internationalen Vergleich habe Deutschland eines der größten Parlamente. Für die parlamentarische Arbeit sei das nicht nötig. Sie werbe deshalb für die Wahlrechtsreform, teilt Walter-Rosenheimer mit.

Für die Reform spricht sich auch Carmen Wegge aus. Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Starnberg, zu dem die Stadt Germering gehört, hält den Vorschlag zur Reform des Wahlrechts für verfassungskonform. Schließlich, so Wegge, sei in Deutschland das Verhältniswahlrecht vorgeschrieben, also die Zweitstimme für die Verteilung der Parlamentssitze ausschlaggebend.

Zu Lasten der Arbeit

Wegge kann sich aber vorstellen, dass der Bundestag auch über die 598 Abgeordneten hinaus vergrößert werden kann. Nach der vorgelegten Änderung würde die SPD-Fraktion in Berlin um etwa 40 Mitglieder kleiner werden. Das gehe zu Lasten der detailreicheren Arbeit, sagt sie. Auch Kießling kann sich ein regulär größeres Parlament vorstellen. Die Gesellschaft sei vielfältiger geworden und es gebe mehr Parteien, sagt er. Deshalb wäre auch ein Parlament mit bis zu 650 Mitgliedern vertretbar.

Nachteile aus dem Vorschlag der Regierungsparteien ergäben sich nicht nur für die Erststimmenkandidaten und die CSU. Auch die bayerische SPD würde weniger Politikerinnen und Politiker nach Berlin schicken, wenn es keine Ausgleichsmandate mehr gäbe. Wegge wäre selbst davon betroffen, wie sie sagt. Denn hätte die Wahlrechtsreform 2021 gegolten, hätte die bayerische SPD nur 19 Sitze erhalten. Wegge kandidierte auf dem 20. Platz der SPD-Liste.

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