Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Von zeitlosem Wert

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Marcus Everding inszeniert zum zweiten Mal die alle zehn Jahre stattfindenden Edigna-Spiele. In dem Stück mit 30 Laienspielern aus Puch stellt er die Frage, wie heute mit einer uneigennützigen und hilfsbereiten Person wie der Adeligen umgegangen würde

Von Manfred Amann, Fürstenfeldbruck

Was den Oberammergauern die Passionsspiele, sind den Puchern die Edigna-Spiele, die mit der Premiere am Samstag, 23. Februar, starten. Der Vergleich mag hinsichtlich Opulenz und Bekanntheit hinken, doch beide Bühnenstücke finden alle zehn Jahre statt, werden ausschließlich von Laienspielern aus dem Ort aufgeführt und von einem renommierten Regisseur geleitet. In Oberammergau ist Christian Stücklein der Spielleiter, in Puch zum zweiten Mal Marcus Everding. Er hat für die diesjährigen Aufführungen ein ganz neues Stück mit anderem Blickwinkel auf die Selige Edigna geschrieben.

Everding wollte keine Wiederholung seines 2009 zum 900. Todestag der Edigna aufgeführten Stücks "Selig die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit". Obwohl das Stück damals wegen der großen Nachfrage mehrmals wiederholt werden musste und von mehr als 4000 Zuschauern gesehen wurde. Eine bewusste Entscheidung, denn nur so konnte er sich der interessanten Frau und der Botschaft, die von ihrem Wirken bis in unsere Zeit hineinwirkt, aus einer anderen Perspektive nähern. "Ich bin dem Verein unter Leitung von Edigna Kellermann überaus dankbar, dass ich mit neuen Ansätzen dazu beitragen kann, dass die Erinnerung an die "über alle Zeiten interessante Frau" nicht versiegt, so Marcus Everding.

Das Laienspiel aus seiner Feder, bei dem etwa 30 Pucher auf der Bühne - und noch mehr drum herum - mitwirken, trägt den Titel "Ex Voto Edigna - Was vom Baum blieb - Ein Spiel über Zeit und Gegenwart". Im Kern des Stücks stehe die Frage, was passieren würde, wenn eine Frau ähnlich der mystischen Edigna heute auftauchen würde. Wie würden die Menschen reagieren wenn diese "ihrem Glauben folgend, ungefragt Hilfe in allen Nöten und stete Gesprächsbereitschaft anbieten würde", sagt Everding. "Vermutlich würde man sie wegsperren".

Die Botschaft des Edigna-Wirkens könnte sein: "Hilf wo du gebraucht wirst." Im neuen Theaterstück wird aber auch die Frage aufgeworfen: Ist diese Botschaft noch zeitgemäß? Der Legende nach war Edigna, für die keine gesicherten Lebensdaten existieren, eine Tochter des französischen Königs Heinrich I. (1031-1060) und seiner zweiten Frau Anna, deren Vater Fürst Yaroslav von Kiew (978-1054) war. Weil Edigna sich einer damals durchaus üblichen Zwangsheirat entziehen wollte, soll sie in Kleidern einer einfachen Frau gen Osten geflohen und schließlich nach Puch gekommen sein. Interessant sei an Edignas Lebens- und Familiengeschichte laut Everding auch, dass einer ihrer Brüder damals den ersten Kreuzzug nach Jerusalem angeführt habe. "Für einen Theaterregisseur steckt da ein Fülle von Stoff drin", findet der 54-Jährige, der mit seinem Stück Bilder vermitteln will, die zum Denken anregen.

Stoff zum Interpretieren bietet auch die Überlieferung, dass die damals gerade einmal 19 Jahre alte Edigna von einem Bauern auf einem Ochsenkarren mitgenommen wurde und einen Hahn und ein Glöckchen bei sich hatte. Unterhalb von Puch sollen plötzlich die Ochsen keinen Schritt mehr gegangen sein, der Hahn soll gekräht und das Glöckchen gebimmelt haben. Da die Flüchtige dies als Zeichen Gottes gedeutet haben soll, an diesem Ort zu bleiben, sei sie abgestiegen.

Fortan soll Edigna als Einsiedlerin in einer hohlen Linde gelebt, gute Werke vollbracht und die Menschen das Lesen und Schreiben gelehrt haben. Die mächtige Linde im Friedhof von Puch, die mit gespannten Seilen zusammengehalten und so vom Absterben bewahrt wird, soll der Aufenthaltsort von Edigna gewesen sein. In der mit vielen Edigna-Motiven verzierten Pfarrkirche Sankt Sebastian zeugen Votivtafeln zudem von Edignas Wundertätigkeit. Nachdem Edigna 1109 gestorben war, floss aus der Linde angeblich heilendes Öl, das aber versiegt sein soll, als man damit Geschäfte machen wollte. Nach ihrem Ableben soll Edigna noch viele Wunder für Mensch und Vieh vollbracht haben.

Im ersten Teil des Stückes konfrontiert der Regisseur die Zuschauer mit der Lebens-Gegenwart der jungen adeligen Frau, die wie alle Menschen damals um ihr Seelenheil sehr besorgt war. Im zweiten Teil lässt Everding eine junge Frau aus vornehmer Familie in der Jetztzeit vor einer hohlen Linde auf einer Bank mit Menschen ins Gespräch kommen. Anhand der Geschichte, die sich entspinnt, kann der Zuschauer Parallelen zum Leben der historischen Edigna erkennen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass die Bereitschaft, Menschen zuzuhören und zu helfen von zeitlosem Wert ist.

Die Edigna-Spiele beginnen am Samstag, 23. Februar (Premiere 18,30 Uhr). Weitere Aufführungen finden am Sonntag 24 Februar sowie an den Wochenenden 2./3, 9./10. Und 16./17. März jeweils um 14,00 und 18,30 Uhr im Gemeinschaftshaus Puch, Zur Kaisersäule 6, statt. Zum Kartevorverkauf siehe www.edigna-puch.de.

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SZ vom 21.02.2019
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