Fürstenfeldbruck:Von der Stasi bespitzelt

Zeitgespräch

Acht Karteikarten hatte die DDR-Staatssicherheit über die damalige Studentin Karin Abenhausen angelegt

(Foto: G. Reger)

Journalistin berichtet in Bruck über die Überwachung in der DDR

Von Anna Landefeld-Haamann

Es ist ja nichts passiert. Doch die Gedanken daran, was alles hätte passieren können, lassen Karin Abenhausen noch heute schaudern. "Ich? Von der Stasi bespitzelt? Ich war doch nur eine unbedeutende Studentin, die nebenbei Artikel für die Zeitung schrieb und ab und zu Freunde und Verwandte in der DDR besuchte", erzählt die heute 54-jährige NDR-Redakteurin bei den Brucker Zeitgesprächen. Das Herz habe ihr bis zum Hals geklopft, als sie in einem kleinen Zimmer in der Berliner Stasi-Unterlagenbehörde das erste Mal in ihrer Akte las und die Sachbearbeiterin ihr die in verkrampften Bürokratendeutsch verfassten Notizen erläuterte.

Auf die Suche nach einer möglichen eigenen Stasi-Akte hat sich Abenhausen 2014 gemacht. Angeregt hatte sie die Recherche für das NDR-Projekt "Die Stasi - Mitten in Niedersachsen". Einige Kollegen hätten sie belächelt, als sie selbst Antrag auf Akteneinsicht in Berlin stellte. Doch sie erinnerte sich vage, dass sie bei ihren Leipzig-Besuchen am Grenzübergang Helmstedt-Marienborn immer wieder seltsam von Beamten angesprochen worden war. Ob sie denn noch immer für die "Cellesche Zeitung" arbeite, habe man sie öfter gefragt. "Ich hatte schon damals das ungute Gefühl: Der DDR-Staat weiß mehr über dich, als dir lieb ist." Trotzdem war Abenhausen erstaunt, als sie nach einem halben Jahr die Nachricht von der Stasi-Unterlagenbehörde bekam: "Ja, es gibt Materialien zu ihrer Person."

Acht Karteikarten hatte die Stasi in den achtziger Jahren über die damalige Geschichts- und Literaturstudentin angelegt. "Das ist natürlich nicht viel", sagt Abenhausen. Aber es genüge, um vor Augen zu führen, wie allgegenwärtig der Bespitzelungsapparat der Staatssicherheit gewesen sein muss. "Was für ein Aufwand, den die grauen Herren betrieben, um mich, die kleine Studentin aus dem Westen, zu beschatten." Einige Karteikarten stammten immerhin unter anderem von der Berliner Hauptverwaltung Aufklärung, die für Gegenspionage und operative Aktionen in den Nato-Staaten zuständig war. "Was hatte ich mit Spionage zu tun, und warum beobachtete man mich von Berlin aus, wenn ich doch nur nach Leipzig fuhr?" Und in der Tat findet sich in Abenhausens Akte auch ein detaillierter Bericht über einen Besuch in der Leipziger Galerie "Eigen + Art" am 14. März 1987. Dort steht unter anderem geschrieben, dass Abenhausen von ihrem damaligen Lebensgefährten und der gemeinsamen Freundin Claudia begleitet wurde, dass sie bei Claudia wohnten, dass sie in der Galerie mit einer Nikon F3 fotografiert und 50 Grafiken gekauft hatten. "Als ich das las, schoss mir nur in den Kopf: Du bist nicht allein gewesen."

Auch jetzt, fast 30 Jahre später, kann Abenhausen nur erahnen, warum sie die Männer von der Sicherheit ausgespäht haben. "Wahrscheinlich war ich als Journalistin aus dem 'nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet', wie es so schön in den Akten heißt, per se schon einmal verdächtig." Erst vor kurzem erfuhr die Redakteurin, dass die Stasi eigens einen Beobachtungsposten vor der Galerie eingerichtet hatte, um zu überprüfen, welche "Westler dort ein- und ausgingen." Sie gehörte dem heutigen Stargaleristen Gerd Harry Lybke, der in den 1980er Jahren nicht nur Neo Rauch großmachte, sondern auch zahlreiche Kontakte nach "Drüben" pflegte. Dass die Stasi nur beobachtete und nicht durchgriff, dass verdanke sie, Abenhausen, der Tatsache, dass die gekauften Grafiken keinen politischen Inhalt hatten. Nur eine Frage, die beschäftige sie bis heute: Wer hat mich beobachtet?

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