Fürstenfeldbruck:Vom Hockergrab zum Totenbrett

Jexhof: Geburt und Tod Ð die neue Sonderausstellung  im Bauernhofmuseum

Das älteste noch erhaltene Totenbrett im Landkreis zieren Malereien und Drechselarbeiten.

(Foto: Johannes Simon)

Archäologen und Heimatforscher wie Toni Drexler deuten aus Beisetzungsriten und Grabbeigaben, wie Menschen mit ihren Toten und dem Tod umgehen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Was im Jenseits wartet, ob es ein Leben nach dem Tod überhaupt gibt - das sind Fragen, die Menschheit seit Jahrtausenden umtreiben. Und jede Kultur von der Jungsteinzeit bis in die Gegenwart hat ganz eigene Vorstellungen von dem, was kommt, nachdem der Mensch gegangen ist. Deutlich wird das nicht durch historische Schriften, sondern vor allem durch jahrhundertealte Grabstätten, die Archäologen in den vergangenen Jahren freigelegt und deren Inhalt sie gedeutet haben. "Die Begräbniskultur hängt immer auch von der Religion und von der Jenseitsvorstellung der Menschen ab", sagt Kreisheimatpfleger Toni Drexler. "Gräber haben für Archäologen die größte Aussagenkraft über frühere Kulturen und zum Teil auch über die Vorstellungswelt der Menschen". Vor allem dann, wenn sie aus Zeiten stammen, aus denen es keine schriftliche Überlieferung gibt.

Vor rund 20 Jahren wurde in Esting ein Gräberfeld aus der Übergangszeit von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit entdeckt. Es handelte sich um die letzten Ruhestätten sogenannter Glockenbecherleute. Wenig später wurde in der Nähe auch ein Schnurkeramiker-Grab entdeckt. Beide Kulturen lebten zeitgleich und wurden nach den in ihren Gräbern gefundenen Grabbeigaben benannt. Typisch für beide Kulturen waren Einzelbestattungen in Erdgräbern. "Und offensichtlich hatten sie keinen Widerwillen dagegen, ihre Gräber nebeneinander zu legen", sagt Drexler. Das Außergewöhnlichste aber war die Art der Bestattung: Ihre Hinterbliebenen begruben die Angehörigen beider Kulturen in einer Hockerposition, also mit angewinkelten Beinen und Armen, ähnlich der Embryonalstellung. Während in den Glockenbechergräbern Männer mit dem Kopf Richtung Norden und Frauen mit dem Kopf in Richtung Süden zeigend begraben wurden, bestatteten die Schnurkeramiker die Männer mit Kopf in Richtung Westen und Frauen in Richtung Osten. Die Frage, warum die Verstorbenen in diese Position gelegt wurden, gibt den Archäologen bis heute Rätsel auf.

Später, in der Bronzezeit wurden in Süddeutschland Hügelgräber üblich. Obwohl es während der Spätbronzezeit vorrübergehend auch Brandbestattungen gab, waren die Hügelgräber noch bis in die vorrömische Eisenzeit hinein gebräuchlich. Ein solche Grabstätte wurde, ebenfalls in Esting, während des 19. Jahrhunderts entdeckt. Üblich war es, die bis zu zwei Meter hohen und in manchen Fällen bis zu 20 Metern breiten Hügel, mit zahlreiche Grabbeigaben auszustatten. Anhand dieser konnte ziemlich genau bestimmt werden, welchen sozialen Status der Verstorbene hatte. In einigen Gräbern wurden sogar reich geschmückte Wagen gefunden. "Sie wurden extra für das Totenritual hergestellt, das vermutlich Wochen und Monate angedauert hat", erklärt Drexler. Außerdem gab es in den Hügeln der Höhergestellten ganze Batterien an Geschirr, gefüllt mit Speisen und Wein. "Man wollte im Jenseits als großer und bedeutender Gastgeber auftreten, nicht mehr als Krieger", sagt der Kreisheimatpfleger. Die Glockenbecherleute und Schnurkeramiker wurden noch mit ihren Streitwaffen bestattet.

Während der Römerzeit wurde zunächst wieder die Brandbestattung populär, erst in der Spätantike, ab dem vierten Jahrhundert haben sich Körperbestattungen durchgesetzt. "Vielleicht hängt das schon mit der Christianisierung zusammen", sagt Drexler. Mit ihr wurden Feuerbestattungen unüblich, schließlich wurde auch Jesus nach der Kreuzigung nicht eingeäschert, sondern in einem Felsengrab beigesetzt.

Über die Grabmale und Bestattungsriten nach Ende des römischen Imperiums ist wenig bekannt. Genauere Kenntnisse haben Forscher erst wieder über die Zeit der Wiederbesiedlung des Landes durch verschiedene germanische Bevölkerungsgruppen. "Es gab im Landkreis mehrere sogenannte Bajuwarenfriedhöfe entlang der Amper", erklärt Drexler. Während die Frauen zu dieser Zeit mit reichlich Schmuck beigesetzt wurden, gab man den Männern wieder Waffen, wie Sax und Spatha, mit ins Jenseits. "Das sagt einiges über die Lebensverhältnisse der Menschen aus", sagt Drexler. Erst durch die flächendeckende Christianisierung in Süddeutschlands waren Grabbeigaben plötzlich verpönt. Wenn überhaupt, so fielen sie eher spärlich aus. "Für Archäologen waren Gräberfunde aus dieser Zeit weniger aussagekräftig", so Drexler.

Aus der jüngeren Geschichte gibt es schließlich andere Überbleibsel, die Aufschluss über die Riten der Menschen geben. Darunter nicht nur verschiedene Schriften, sondern etwa auch Relikte wie Totenbretter, die über viele Jahrhunderte hinweg, vereinzelt sogar bis ins 20. Jahrhundert gebräuchlich waren. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen der Särge auch in ländlich geprägten Regionen Süddeutschlands, verschwanden sie nach und nach. Auf einem Totenbrett wurde der Verstorbene, der zuvor in ein Leintuch eingenäht worden war, bis zu seiner Beerdigung im Haus aufgebahrt. Nach der Beisetzung wurden die Bretter (im Lauf der Zeit immer aufwendiger) verziert, mit dem Namen und Sterbetag des Toten und einer Aufforderung zum Gebet versehen. Es wurde schließlich außerhalb des Ortes, oft an Wegegabelungen aufgestellt. "Erst wenn das Brettl verfault war, hat die Seele ihre Ruhe", sagt Drexler. Deshalb seien nur wenige dieser Bretter erhalten. Die, die noch existieren, stammen aus einer späteren Zeit, zu der sie keinen praktischen Zweck, sondern nur noch dem Gedenken an die Toten dienten. Das älteste im Landkreis erhaltene stammt aus dem Jahr 1821 und trägt unter anderem die Inschrift: "Lieber Leser stehe still!/Lese was ich sagen will./ Lebest du auf diser Erden/ Kurze oder lange Zeit, /Must erfahren all beschwerden/ Kummer sorg und Bitterkeit. /Trachtet nicht nach grose Ehren!/ Nach Reichtum und nach Eitelkeit, /Trachtet vielmehr zu erwerben:/Schätze vier die Ewigkeit."

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