Fürstenfeldbruck:Verschmelzung zum größeren Ganzen

FÜRSTENFELDBRUCK:  Filmdreh im Churfürstensaal

Die Produzenten Alex Werner (links) und Peter Mang vor einem Filmdreh im Churfürstensaal von Fürstenfeld.

(Foto: Leonhard Simon)

Im Churfürstensaal des ehemaligen Klosters Fürstenfeld wird der Tanzfilm "1871" gedreht

Von Sonja Pawlowa, Fürstenfeldbruck

Vom Frühlingsbeginn ist nicht viel zu sehen an diesem trüben Sonntagmorgen in Fürstenfeld. Das Licht verbirgt sich hinter Schranken und Klostermauern. Bereits am Tag zuvor hat das Team um den Kameramann Frank Meyer riesige Kurbelstative im Klosterhof errichtet. Nun leuchten die künstlichen Sonnen durch die Fenster des zweiten Stocks in den Churfürstensaal. Es wird ein Tanz-Kurzfilm gedreht.

Der Komponist Axel Werner und der Filmunternehmer Peter Mang produzieren eine aufwendige Umsetzung ihres neuen Kopfkinos mit dem Arbeitstitel "1871", das an ihr vielfach ausgezeichnetes Werk "Come Closer" anknüpft.

Gemeinsam ist den beiden Filmen die Vereinigung von Musik, Choreografie und Bildern. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Gemeinsamkeit selbst. In zahlreichen Online-Konferenzen hat die Filmcrew gemeinsam den Prozess gestaltet. Der Choreograf Maged Mohamed arbeitet hierbei Hand in Hand mit der Steadicam, die sich mit den Tänzern bewegt und den Zuschauer in das musikalische Universum hereinholt. Anders als auf einer Bühne mit dem außen stehenden Betrachter, werden quasi von innen durch Bewegungen übergreifende Gefühle entfacht. Das reißt mit.

"Eigentlich machen wir hier einen Stummfilm mit Musik," sagt Axel Werner, der auch Regie führt. Die Story, der Inhalt und das Setting müssen ohne Dialoge und Erklärungen auskommen. Hintergrund sind die scharfen Kontraste des 19. Jahrhunderts. Damals lagen die gesellschaftlichen Umwälzungen offen auf dem Tablett. Es gab Krieg, Dreck, Rauch, Ausbeutung, Industrialisierung. Ein unerbittlicher Überlebenskampf, viel Leiden. Zu guter Letzt wütete 1891 sogar noch eine Pandemie. Aber in der gleichen Zeit ist die romantische Kunst entstanden. Wagner, Brahms, Schubert, Mahler, Chopin sind geistig in eine andere Welt entflohen. "Genährt von der Hoffnung auf Besseres sind sie künstlerisch abgehauen. Diese Diskrepanz zeigen wir mit unserem Film", sagt Axel Werner.

So bewegt sich auch der Tanz in "1871" zwischen zwei gegensätzlichen Polen. Am ersten Drehort, einer ehemaligen Schlosserei in Walchstadt, spiegelten vier Arbeiter und ein Aufseher tänzerisch die Situation der Unterdrückung und Befreiung. "Sie hauen geistig ab in eine andere Welt", erklärt Axel Werner. Diese Welt symbolisiert der Churfürstensaal als Location.

Dabei geht es nicht um Arm gegen Reich, nicht um Hütten und Paläste. Es geht um eine Fantasiewelt, die sich im Ambiente von Pracht und Schönheit manifestiert.

Der Aufwand ist enorm. Jede Sekunde der geplanten drei bis vier Filmminuten muss das Gesamte repräsentieren. Anspannung und Dichte sind schon vor der ersten Klappe spürbar. Im Nebenraum wird noch am Kostüm gefeilt, die Tänzer sitzen still vor den Spiegeln der Maskenbilder. Aufnahmeleiter versorgen das Team mit Kaffee und Frühstück, um den frühen Arbeitsbeginn so angenehm wie möglich zu gestalten.

Der Stab von zwanzig Kreativen brennt für das gemeinsame Vorhaben und treibt so ein gemeinsames Projekt voran. Das ist einzigartig und wegweisend. Niemand wird ausgebeutet, sondern hoch geschätzt. Die Mitarbeiter werden ausnahmslos bezahlt - eine Seltenheit bei Kurzfilmen.

Peter Mang betont: "Wir wollen nicht nur reden, sondern etwas tun für die Kulturbranche. Wir wollen mehr als Gebäude unter dem Motto "Ohne Kunst wird's still" illuminieren, sondern etwas machen." Vorab haben sich alle Beteiligten einem Corona-Test unterziehen müssen. Der Weg von der Pforte zum Filmset ist mit Markierungen versehen, obwohl das Gebäude bis auf die Filmcrew am Sonntag verwaist ist und leer steht.

Ganz im Geheimen verschmilzt im Churfürstensaal der Kosmos von Polizeihochschule, Kloster, Tanz, Bild und Musik zu einem größeren Ganzen. Am Ende wird ein Film stehen, der den Zuschauer hineinzieht in eine Welt von Fantasie und Bewegung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: