Fürstenfeldbruck:Verhängnisvolle Annäherung

Ein 20-Jähriger tauscht über das Handy nicht jugendfreie selbst gemachte Videos und Fotos mit einer 13-Jährigen. Dafür wird er wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Geldstrafe verurteilt

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es begann, wie Annäherungsversuche unter Jugendlichen heute oft beginnen. Ein damals 19-Jähriger und eine 13-Jährige lernen sich Anfang 2014 über die App "Hot or Not" kennen, tauschen Telefonnummern aus, schreiben sich Textnachrichten. Die App funktioniert so, dass man das Foto eines anderen Nutzers bewertet: Ein Herz bedeutet Kontaktinteresse, ein Kreuz steht für "nein danke". Verteilen zwei Nutzer für den jeweils anderen ein Herz, stellt die App einen direkten Kontakt her. Ist das nicht der Fall, suchen beide weiter, ohne einander "vorgestellt" zu werden. Kontaktsuche der schnellsten und oberflächlichsten Art ohne jegliches Risiko also, bei der ein Großteil der Nutzer weniger nach der großen Liebe, als nach der schnellen Befriedigung sucht.

Auch das virtuelle Pärchen kam sich rasch näher, nach wenigen Wochen fragt die 13-Jährige den 20-Jährigen, ob er ihr ein Video von sich schickt - natürlich keines der harmlosen Sorte. Der junge Mann schickt ihr also einen Film, auf dem er sich selbst befriedigt. Im Gegenzug bietet sie ihm ein Video und Fotos an, auf denen sie masturbiert. Wegen dieser Medien war der 20-Jährige nun wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes angeklagt. In Paragraf 176 Strafgesetzbuch ist sexueller Missbrauch von Kindern unter anderem dadurch definiert, sexuelle Handlungen vor einem Kind vorzunehmen oder durch Schriften und pornografische Darstellungen auf das Kind einzuwirken, um es zu sexuellen Handlungen vor dem Täter zu bringen.

Gleich zu Beginn der Verhandlung räumt der Angeklagte ein, dass alles wie beschrieben abgelaufen sei, widerspricht aber dem Vorwurf der Staatsanwältin, er habe die Geschädigte aufgefordert, ihm das Video zu schicken. Auch Richtern Anna Kappenschneider sieht die Initiative bei der 13-Jährigen. "Aber Sie haben gewusst, dass sie erst 13 Jahre alt ist. Wie kann sie da sagen, was sie will. Das können Sie nicht machen. Natürlich gehören immer zwei dazu, und beide haben falsch gehandelt", sagt sie zum Angeklagten, der bei ihren Ausführungen schuldbewusst mit dem Kopf nickt. Nur schwer bekommt er seine wenigen Sätze raus, ist sichtlich aufgeregt, die ganze Situation ist ihm peinlich.

Dessen Rechtsanwalt erklärt, dass der heute 20 Jahre alte Auszubildende seit seiner Kindheit an ADHS leide und wegen seiner Auffälligkeit schon immer Schwierigkeiten mit sozialen Kontakten habe. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation zwar gebessert, jedoch käme es immer wieder zu Rückschlägen. Ob er das Video gelöscht habe, fragt die Richterin den Angeklagten. "Ja, nach kurzer Zeit schon. Irgendwann hat es mich abgestoßen. Das war noch in der Zeit, in der wir Kontakt zueinander hatten." Der sei erst abgebrochen, als der Angeklagte eine Vorladung zur Polizei bekommen habe. "Wussten Sie, dass die Mutter des Mädchens mit ihr zur Polizei gegangen ist?", fragt Richterin Kappenschneider. Und der Angeklagte sagt: "Nein, ich habe erst auf der Polizei davon erfahren."

Die Richterin verurteilt den 20-Jährigen zu einer Geldauflage von 300 Euro.

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