Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Verdacht einer Altlast auf dem Fliegerhorst-Gelände

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Landratsamt geht Ursache für das mit Perfluoroctansulfonsäure verunreinigte Grundwasser bei Gernlinden nach

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Quelle der Verunreinigungen von Grundwasser mit Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) bei Gernlinden und Esting muss auf dem Gelände des ehemaligen Fürstenfeldbrucker Fliegerhorstes liegen. Das vermuten das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt München (WWA) aufgrund weiterer Untersuchungen. Fest steht, dass die Chemikalie sich anreichert, das zeigen die Werte von Fischen aus belasteten Weihern, die jetzt veröffentlicht wurden. Die Forellen, Karpfen und Karauschen könnten aber verzehrt werden, teilte das Landratsamt mit. Bei regelmäßigem Konsum über einen langen Zeitraum seien jedoch Nachteile für die Gesundheit möglich.

Im Fleisch von Forellen aus dem Weiher Gernlinden Ost stellte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einen PFOS-Wert von 4,5 Mikrogramm pro Kilo fest. Der Fisch könne "ohne Einschränkung als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden". In dem Gewässer lagen die PFOS-Werte im Herbst 2019 bei 0,12 Mikrogramm pro Liter.

Aus dem nördlichen Weiher Gernlinden West wurden ein Karpfen, eine Rotfeder und zwei Karauschen untersucht. Die höchste Belastung lag bei einem Karpfen bei 52,3 Mikrogramm pro Kilo, der niedrigste Wert mit 29,5 Mikrogramm pro Kilo bei einer Karausche. Im Wasser wurden 0,059 Mikrogramm pro Liter nachgewiesen. Ein "zeitweiliger Verzehr der Fische" sei laut Gutachten des LGL akzeptabel. Die Lebensmittelproben wurden deshalb auch als geeignet für den Verzehr beurteilt. Der Weiher werde nach Auskunft des Besitzers nur privat genutzt.

Würde ein Erwachsener in der Woche etwa 210 Gramm dieses Fisches essen, also eine große Portion, wäre allerdings die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit als tolerabel eingestufte Menge deutlich überschritten. Es sei deshalb anzunehmen, dass "beim regelmäßigen Verzehr dieser Fische über einen langen Zeitraum nachteilige Wirkungen auf die Gesundheit möglich sein können", teilte Ines Roellecke, die Pressesprecherin des Landratsamtes mit.

Das Wasserwirtschaftsamt hatte im Sommer entlang der Maisach erhöhte Werte an Perfluorcarbonen (PFC) festgestellt. Die Kohlenstoff-Fluorverbindungen kommen in vielen Produkten des täglichen Lebens vor. Der Prüfwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für einen Stoff aus dieser Gruppe, die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), war bei zwei Weihern in Bergkirchen und einem Weiher in Gernlinden überschritten. Das Landratsamt informierte daraufhin die Inhaber von Fischereirechten und ließ Fische untersuchen.

Einige Wochen später stellte das WWA 0,32 Mikrogramm PFOS pro Liter in einem Brunnen bei Esting fest. Bei PFOS handelt es sich um eine chemisch sehr stabile Substanz, die sich in Fett und Wasser löst. Es verteilt sich daher leicht in der Umwelt, wird über Lebensmittel und Trinkwasser aufgenommen, nur langsam ausgeschieden und reichert sich im Körper an, warnte das Bundesamt für Risikobewertung im August in einer Stellungnahme.

Einige PFC stehen im Verdacht, krebserregend zu sein, der Einsatz von PFOS-haltigen Löschmitteln ist seit 2011 in der EU verboten. Allerdings geht von den gemessenen Konzentrationen wohl keine direkte Gefahr aus. Weil PFOS Bestandteil von Löschschaum ist, lag von Anfang an der Verdacht nahe, dass die Quelle auf dem ehemaligen Brucker Fliegerhorst liegt.

Das WWA entnahm deshalb im Oktober und November weitere Proben aus drei Brunnen östlich des Fliegerhorstgeländes, einer Meßstelle am nordöstlichen Rand außerhalb und zwei Stellen innerhalb des ehemaligen Flugplatzareals. Die Schwellenwerte wurden jeweils überschritten. An anderen Stellen, auch innerhalb des Fliegerhorstgeländes, lagen die Gehalte "deutlich unter dem Schwellenwert". Diese Ergebnisse "begründen den Verdacht einer Altlast oder schädlichen Bodenverunreinigung auf dem Areal des ehemaligen Fliegerhorstes", heißt es in einer Pressemitteilung von WWA und Landratsamt.

Sobald die sogenannte historische Erkundung abgeschlossen ist, in der anhand von Dokumenten und Zeugenaussagen möglich Altlasten aufgezeichnet sind, würden die Behörden sowie die Bundeswehr und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) das weitere Vorgehen beschließen. Vermutlich werde man dann als nächsten Schritt eine Detailuntersuchung in Auftrag geben.

Diese historische Erkundung teile sich in zwei Bereiche auf, die BImA sei für den Norden, das früher genutzte Gelände, die Bundeswehr für den Süden zuständig, wo sie immer noch Einrichtungen unterhält. Die BImA habe ihren Teil Anfang Januar abgeliefert, das Gutachten der Bundeswehr sei in Bearbeitung und liegt laut Landratsamtsprecherin Roellecke aber noch nicht vor.

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SZ vom 11.02.2020
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