Fürstenfeldbruck:Übers Nagelbrett laufen und den Müll rausbringen

Auf dem Volksfestplatz gastiert der Zirkus "Maurice" der evangelischen Jugend. Eine Woche lang lernen 100 Kinder, was Fakire können müsse und welche Pflichten es sonst gibt

Von Emilia Zarth

Dumpfe Geräusche sind an diesem Vormittag auf dem Volksfestplatz in Fürstenfeldbruck zu vernehmen. Sie kommen aus einem großen Zirkuszelt, das besonders groß wirkt, weil es an einer Seite von drei kleineren Zelten eingefasst ist. Vor dem Zelt wird getrommelt, etwa 15 Kinder folgen dem Rhythmus eines Jugendlichen und schlagen auf Tonnen aus Plastik und Metall ein. Begeistert versuchen sie nach einigen Takten selbst einen Rhythmus zu kreieren und beginnen mit ihren eigenen Kompositionen. Die jungen Musikanten gehören zu dem Zirkus "Maurice". Er ist ein Teil des Ferienprogramms der evangelischen Jugend Fürstenfeldbruck. Während des fünftägigen Projekts gestalten Kinder zwischen fünf und 13 Jahren eine Zirkusaufführung unter dem Motto "Reise zu den Sternen".

Insgesamt sind es 100 Teilnehmer, darunter 20 Kinder mit Asylhintergrund, denen geschulte Zirkuspädagogen und Jugendleiter das Wichtigste über die Zirkusarbeit vermitteln Danach können die Kinder selbst kreativ werden und gemeinsam ein Programm ausarbeiten. Zum Abschluss des Ferienprojekts findet am Samstag eine Galaaufführung statt, bei der die jungen Artisten ihr Programm präsentieren können.

Damit jedes Kind dafür eine passende Zirkusnummer findet, beginnt der erste Tag des Ferienprogramms mit sogenannten Schnupperworkshops. Dazu finden sich die aufgeregt tuschelnden Kinder erst einmal im Hauptzelt des Zirkus ein. Dieses Jahr werden Workshops in Akrobatik, Clownerie, Jonglage und Zauberei angeboten. Die Kinder entscheiden je nach Interesse, welche Workshops sie besuchen wollen und folgen den Gruppenleitern neugierig zu verschiedenen Orten auf dem Zirkusgelände, um mehr über das jeweilige Gebiet zu erfahren.

"Weiß jemand von euch, was ein Fakir ist?", fragt Projektleiter Tobias Ketzel zu Beginn seines gemeinsamen Workshops mit Jugendleiter Joshua Grasmüller. Joshua hat als Kind sehr gerne an dem Ferienprogramm teilgenommen und war bis zu seinem 14. Lebensjahr mehrmals dabei. Nun engagiert er sich selbst seit vier Jahren als Jugendleiter bei dem Programm, um seine Begeisterung für den Zirkus weiterzugeben. So erklärt er den Kindern zum Thema "Fakir", dass Menschen über Nagelbretter und Glasscherben laufen, ohne dabei Schmerz zu empfinden. Das macht die Kinder stutzig, und alle drängen sich so schnell wie möglich hinter dem Nagelbrett und den Scherbenhaufen, um das als erstes auszuprobieren. "Das tut ganz schön weh", beschwert sich ein Junge, nachdem er über das Nagelbrett gelaufen ist. Andere Kinder wiederum beharren darauf, gar keinen Schmerz gespürt zu haben.

Während die einen versuchen, möglichst schmerzfrei über die Hindernisse zu gelangen, sind die Teilnehmer des Akrobatik-Workshops dabei, der Leiterin des Kurses ihr Können zu präsentieren. In kleinen Gruppen oder alleine machen sie akrobatische Figuren, wie etwa eine Kerze oder eine kleine Menschenpyramide. Manche Kinder wagen sich sogar mutig an einen Handstand, wobei sie sowohl von der Zirkuspädagogin als auch von älteren Kindern unterstützt werden. Sie geben ihnen geduldig Hilfestellung und Tipps, wie sie die schwierigen Figuren verbessern können.

Dass die erfahrenen Teilnehmer, die vielleicht schon mal an dem Programm teilgenommen haben, den anderen helfen, ist laut Tobias Ketzel ein Aspekt, der das Projekt besonders mache. Es entstehe jedes Jahr eine Zirkusfamilie. Diese starke Gemeinschaft trage wesentlich zu dem Erfolg des Ferienprogramms bei. "Zusammen kann man alles erreichen und sogar einen Zirkus speisen", ermutigt er die Teilnehmer. Wichtig sei dabei nicht, dass alles fehlerfrei ausgeführt werde, sondern dass die Kinder Spaß haben. "So lange die Kinder lachen, ist für uns alles perfekt", sagt Ketzel.

Obwohl der Spaß bei dem Projekt im Vordergrund steht, müssen die Kinder trotzdem auch Alltagsaufgaben nachkommen. Deshalb sind sie in verschiedene Gruppen eingeteilt, die sich abwechselnd unter anderem um die Entsorgung des Mülls oder darum kümmern, dass die Küche aufgeräumt wird. "So lernen die Kinder auch, Verantwortung zu übernehmen", erklärt Zirkuspädagogin Anne Fellehner das Konzept. Gleichzeitig versuche man, ein rücksichtsvolles Miteinander der Kinder zu fördern. Am Ende des Tages, wenn sie verschiedene Bereiche des Zirkus kennengelernt und alle Pflichten erledigt haben, müssen die Kinder einen Kurs wählen. Obwohl jedes Kind an mehreren Workshops teilgenommen hat, fällt vielen die Entscheidung leicht, und so bilden sich einzelne Gruppen, um in den nächsten Tagen ein Programm auszuarbeiten und zu üben, bis es am Samstag zum elften Mal heißt: "Manege frei!"

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