Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Streit um NS-belastete Straßennamen geht weiter

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Stadträte und Bürger sind sich uneins über Schilder für Wernher von Braun und Willy Messerschmitt

Von peter bierl, Fürstenfeldbruck

Der Streit um NS-belastete Straßennamen in Fürstenfeldbruck geht hinter den Kulissen und im Bierzelt unvermindert weiter. Im Rathaus sind Briefe und E-Mails von Bürgern pro und kontra eingegangen. In der Wernher-von-Braun-Straße wurden Unterschriften dagegen gesammelt. Ein Unternehmer in der Straße fürchtet, dass eine Umbenennung ihn viel Geld kosten könnte. Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) setzt auf Überzeugungsarbeit und Beruhigung.

Insgesamt geht es um 17 Straßennamen, darunter den monarchistischen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, mit denen sich ein Arbeitskreis des Stadtrates beschäftigt hatte. Der Kulturausschuss beschloss Mitte März nach streckenweise emotionaler Debatte mit 12:3, die Wernher-Von-Braun-Straße im Zentrum umzubenennen, weil der Namensgeber SS-Sturmbannführer und als technischer Direktor der Raketenfabrik des Regimes mitverantwortlich für das Leid und den Tod von tausenden von KZ-Häftlingen war.

Eine knappe Mehrheit von 8:7 verteidigte dagegen Willy Messerschmitt als Straßenpatron im Gewerbegebiet Hasenheide. Er hatte den Eroberungskrieg unterstützt und davon profitiert, dass Gefangene in den KZ Flossenbürg und Dachau für die Messerschmitt-Werke arbeiten mussten. Der Ausschuss empfahl, die Bewohner der betroffenen Straßen einzubeziehen.

OB Pleil sagte der SZ nun, dass er im Herbst in Anwohnerversammlungen mit den Bürgern diskutieren wolle. Anschließend soll der Stadtrat entscheiden. Wie viele solcher Versammlungen es geben soll, ist noch ebenso offen wie die Termine. Dagegen forderte Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP), zuallererst sollte eine Fraktionssprecher-Runde über das weitere Vorgehen beraten. Anschließend sollte der Stadtrat jeden Straßennamen kurz diskutieren und entscheiden, weil der Kulturausschuss nur vorberatende Funktion habe. Eine Ausnahme will Wollenberg nur Puch zugestehen. Dort will er die Anwohner befragen, weil die ganze Hauptstraße betroffen ist, die den Namen des antisemitischen Vordenkers Julius Langbehn trägt.

"Mir ist wichtig, dass es keinen RiesenZoff gibt", betonte Pleil. Er hat E-Mails und Briefe bekommen und wurde auf dem Volksfest im Bierzelt öfter angesprochen. Das Thema spaltet nicht nur die Bürgerschaft. Auch CSU und BBV, die Fraktion des Bürgermeisters, sind uneins, ebenso die Ausschussgemeinschaft aus FDP, ÖDP und Piraten. Insbesondere Klaus Quinten (BBV) hat Wernher von Braun als Raketenpionier und Messerschmitt als Ingenieur verteidigt. Der OB hält Messerschmitt für unproblematisch, weil nur der Familienname auf dem Schild steht. "Das kann man auf jemand anderen beziehen", findet er.

Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU) wehrt sich dagegen, Verbrechen gegen Verdienste aufzurechnen. "Ich will über niemanden richten, aber es gab damals Leute, die haben hingeschaut und Konsequenzen gezogen, bis zur Dreingabe ihres Lebens", sagte Klemenz der SZ. "Der OB möchte eine Konsensentscheidung, aber die wird es nicht geben", kritisierte Jan Halbauer von den Grünen, die wie die SPD alle NS-belasteten Namen entfernen lassen wollen. Als eine Art Kompromiss plädieren der OB sowie Wollenberg dafür, in der Wernher-von-Straße eine Stele aufzustellen, in der dessen Taten und Untaten aufgeführt werden.

Diese Lösung favorisiert auch Frank Thurner, Inhaber und Geschäftsführer von zwei Firmen, die ihren Sitz in der Straße haben. "Eine Umbenennung würde mich einen vierstelligen Betrag kosten, weil ich unsere Stammdaten bei internationalen Konzernen und Gremien ändern lassen muss", sagte er der SZ. Das Unternehmen verbessert mit eigenen Verfahren Produkte und Prozesse von großen Konzernen der Automobil-, Pharma-, Chemie- und Medizintechnikbranche. Rechnungen würden erst mit drei Monaten Verzug bezahlt werden, bis Rechnungsköpfe und Stammdaten wieder übereinstimmen. Dafür müsste er einen Kredit in Höhe des dreifachen Monatsumsatzes aufnehmen. Einige Stadträte lehnen Infotafeln ab. "Allein für die Opfer von Wernher von Braun müssten wir ein Riesenschild aufstellen. Wir sollten alle Namen ändern, denn das ist eine Ehrung im öffentlichen Raum", sagte Axel Lämmle (SPD).

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Quelle:
SZ vom 01.07.2015
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