Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Streit über die richtige Strategie

Lesezeit: 4 min

Die Landratskandidatin der Freien Wähler, Sandra Meissner, fordert einen runden Tisch zum S-4-Ausbau und wirft Landrat Thomas Karmasin Untätigkeit vor. Der verweist auf seine Aktivitäten. Die aktuelle Planung für drei Gleise wollen CSU und FW nicht stoppen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Einen Runden Tisch zum Ausbau der S 4 will die Landratskandidatin Sandra Meissner (FW) im Fall ihrer Wahl einrichten. Dem Amtsinhaber Thomas Karmasin (CSU) wirft sie vor, die Möglichkeiten des Amtes nicht auszuschöpfen. "Man ist auch für Nichthandeln verantwortlich", sagte Meissner der SZ. Der Landrat wies die Kritik zurück. Meissner sei bislang nicht mit Kreispolitik befasst, "deshalb hat sie vielleicht nicht alles mitbekommen". Entscheidend seien nicht runde Tische im Landkreis, sondern "die Tische in München", sagte Karmasin.

Bislang gehe es so "schleppend", weil im Verkehrsministerium "jemand sitzt, der drei Gleise für ausreichend hält", sagte Meissner. Sie würde als Landrätin alle Bürgermeister entlang der S 4 sowie die Abgeordneten aus Bundestag und Landtag an einem Tisch versammeln, um sich gemeinsam für einen schnellen viergleisigen Ausbau einzusetzen. Ihrem CSU-Konkurrenten hält sie vor, die Position des Landkreises zu schwächen, weil er versäumt habe, dafür zu sorgen, dass alle an einem Strang ziehen. Meissner verwies auf den Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der ein breites S-Bahn Bündnis Ost aufgezogen hat, um gegenüber der Staatsregierung auf einen Ausbau zu drängen. Daran sollte sich Karmasin ein Vorbild nehmen.

Der konterte mit dem Hinweis, er habe sich als Landrat "von Anfang an vehement" für den viergleisigen Ausbau eingesetzt und schöpfe dabei alle ihm gegebenen Möglichkeiten aus. So habe der Kreistag unter seiner Leitung schon 2009 den viergleisigen Ausbau sogar bis Grafrath gefordert. Seitdem gab es mehrere Petitionen an den Landtag. Es wurden Machbarkeitsstudien für ein besseres Angebot erstellt, den kurzfristigen Einsatz von Zügen der Baureihe ET 420 als Übergangsphase oder für den Ausbau des Bahnsteigs an Gleis 1 in Fürstenfeldbruck, zählte Karmasin auf. Er verwies auf ein gemeinsames Positionspapier "Zukunftsperspektiven für die S-Bahn München aus Sicht der Verbundlandkreise", das die Landräte der MVV-Region gemeinsam im Frühjahr 2017 veröffentlicht haben. Darin ist von eigenen S-Bahn-Gleisen, also getrennt von Regional- und Fernverkehr, "mindestens" bis Eichenau die Rede.

Die Kandidatin der Freien Wähler kritisierte in dem Gespräch auch die Positionen anderer Parteien. Dem SPD-Landratskandidaten Christoph Meier hielt Meissner dessen Forderung nach vier Gleisen bis Geltendorf vor. "Das ist zu hoch gegriffen und würde bei einer Kosten-Nutzen-Untersuchung durchfallen." Deshalb sei diese Position sogar schädlich, weil sie das Gesamtprojekt gefährde. Den Grünen warf Meissner vor, sie hätten mit einem Antrag an den Landtag das Thema "aus Wahlkampfgründen noch mal ausgeschlachtet". Der Landtagsabgeordnete Hans Friedl (FW) ging noch einen Schritt weiter.

Er rügte, der Landtagsabgeordnete Martin Runge (Grüne) verschiebe den Ausbau der S 4 "auf den Sankt Nimmerleinstag", in dem er fordere, die Planung eines dreigleisigen Ausbau sofort zu stoppen. Während Friedl den Grünen "wahltaktische Spielchen" vorwarf, attestierte er der bayerischen Koalition "eine Politik, die der Sache und den Bürgern" diene. Dem Verkehrsausschuss des Landtags lagen vergangene Woche zwei Anträge vor. Ein Antrag der Grünen von Anfang Dezember, die Planung für drei Gleise zugunsten eines viergleisigen Ausbaus zu stoppen, sowie ein Antrag von CSU und FW von Mitte November, den dreigleisigen Ausbau zu beschleunigen, außerdem wird "angeregt", ein viertes Gleis "im Blick zu halten".

Friedl heftet den Freien Wählern auf die Fahnen, dass diese Formulierung in den gemeinsamen Antrag aufgenommen worden sei. Allerdings beantragte die CSU in der Ausschusssitzung, den Tagesordnungspunkt zu vertagen, weil man noch Informationen benötige. Zu solchen Entscheidungen komme es, "wenn beide Seiten feststellen, dass für eine sachorientierte Entscheidung Informationen fehlen", schreibt Friedl. Er könne nur begrüßen, dass auch die CSU inzwischen auf ein viertes Gleis "eingeschwenkt" sei.

"Ich favorisiere einen viergleisigen Ausbau bis Bruck, und wenn es nicht anders geht, nehme ich, was ich kriegen kann, erst einmal drei Gleise, aber aufwärtskompatibel", sagte Meissner. Denn ein drittes Gleis bringe nur wenig zusätzliche Kapazitäten. Landrat Karmasin hingegen möchte vier Gleise "mindestens bis Buchenau und mindestens ein drittes Bahngleis zwischen Buchenau und Grafrath".

Einig scheinen sich CSU und FW darin, dass deswegen die Planung des dreigleisigen Ausbaus nicht ausgesetzt werden soll. "Wenn die Planung jetzt gestoppt wird, kriegen wir gar nichts, dann ist das Projekt tot", fürchtet Meissner. Der Landrat warnte, man würde noch mehr Zeit verlieren. Das bayerische Verkehrsministerium habe ihm die Aufwärtskompatibilität für einen späteren viergleisigen Ausbaus versichert. Der Landtagsabgeordnete Benjamin Miskowitsch (CSU) erklärte, die Planung für den dreigleisigen Ausbau sei "weit fortgeschritten", dieser solle 2030 in Betrieb gehen. Er dränge auf eine Beschleunigung. Auch er wolle vier Gleise und diese Möglichkeit dürfe "keinesfalls verbaut werden". Miskowitsch verweist auf eine neue Machbarkeitsstudie des Ministeriums über vier Gleise, die er initiiert habe und deren Ergebnisse im Sommer oder Herbst vorliegen sollten.

Hingegen befürchten die Grünen und auch Michael Pausch vom Bahn-Arbeitskreis der Freien Wähler, dass ein dreigleisiger Ausbau bis Eichenau nicht so einfach ergänzt werden könnte. Mitte November hatte Runge eine Anfrage an das Ministerium gestellt, ob insgesamt 16 Brücken und Unterführungen ganz oder teilweise wieder abgerissen werden müssten. Die Antwort steht noch aus. In einem Schreiben des Ministeriums an Pausch vom Januar heißt es klipp und klar, vier Gleise seien "bahnbetrieblich nicht erforderlich" und ihre Herstellung wäre "sehr aufwendig und finanziell unverhältnismäßig".

Meissner sagt, es wäre besser, zu beantragen, dass die aktuelle dreigleisige Planung so ergänzt wird, dass später nichts abgerissen werden muss. Die Frage ist allerdings, ob ein solches Projekt die Hürde der Kosten-Nutzen-Untersuchung nehmen könnte. Denn alle Anlagen, Brücken, Tunnel, Bahnhöfe, müssten im Prinzip gleich so groß ausgelegt werden, dass nur noch die Schienen für das vierte Gleis verlegt werden müssten. Das würde die Baukosten deutlich in die Höhe treiben, aber nicht den Nutzen, weil es ja vorerst bei drei Gleisen bliebe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4823551
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.