Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Straßennamen in der Endlosschleife

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Die Kreisstadt ist in der Bredouille: Einerseits will die Stadt sich von NS-belasteten Persönlichkeiten distanzieren, andererseits fürchtet sie den Protest von Anwohnern. Deshalb wird die Sache wie eine heiße Kartoffel weitergereicht

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Seit mehr als drei Jahren wird über NS-belastete Straßennamen in Fürstenfeldbruck diskutiert. Und ein Ende ist nicht absehbar. Auch die etwa 40 Besucher, die am Dienstag in die Sitzung des Stadtrats gekommen waren, weil sie einen Showdown erwarteten, wären in jedem Fall enttäuscht worden. Der Stadtrat sollte lediglich schnell das weitere Procedere absegnen. Anschließend vertagte Zweiter Bürgermeister Erich Raff (CSU) nach einer bis in die späten Abendstunden dauernden Sitzung diesen Tagesordnungspunkt. Weil Stadträte wie etwa Christian Stangl (Grüne) sich eine eingehendere Diskussion wünschten, wird sich das Plenum also am 4. Oktober wieder formal mit der heiklen Streitfrage beschäftigen.

Der Vorschlag, den Raff ausarbeiten ließ, sieht vor, dass zunächst jener Arbeitskreis reaktiviert wird, der sich 2014 und 2015 schon ausführlich mit den Namenpatronen beschäftigt hat. Der Arbeitskreis soll jetzt Vorschläge für neue Namen machen und dabei Anregungen aus den vier Anwohnerversammlungen berücksichtigen. Außerdem soll der Arbeitskreis jene Straßen benennen, deren Namen bleiben sollen, aber mit Informationstafeln versehen werden. Anschließend wäre wieder der Kultur- und Werkausschuss am Zuge, der über die Vorschläge befinden und Empfehlungen an den Stadtrat formulieren soll - der am Ende entscheiden muss.

"Ich hoffe, dass es keine große Debatte mehr im Plenum gibt, sondern vorher im Ausschuss", sagt Raff. Jeder Stadtrat sollte doch bis dahin wissen, welchen Straßennamen er behalten wolle und welchen nicht. Auf jeden Fall überlegt der amtierende Bürgermeister schon, die Sitzung in einen größeren Raum zu verlegen, weil der Saal im Rathaus angesichts des öffentlichen Interesses zu klein sein könnte. Er rechnet mit 100 bis 250 Zuhörern. Raff beteuert, er wolle das Thema zum schnellen Abschluss bringen, auch wenn die weitere Verzögerung durchaus im Sinne der meisten Anwohner wäre, die die Straßennamen behalten wollen.

Der Kommandeur des Fliegerhorstes hatte bereits 2006 die Namen von Wehrmachtshelden am Standort entfernt, was Franz Schönhuber, den Gründer der Republikaner, in einer seiner letzten Kolumnen zum Protest veranlasste. Wenig später ließ die Stadt das Schild im Quartier am Tulpenfeld abschrauben, das Paul von Lettow-Vorbeck gewidmet war. Der "Löwe von Afrika" war als Kolonialoffizier an Massakern in Afrika beteiligt, außerdem war er Monarchist und Antidemokrat. Andere Namen blieben. Als Anfang 2013 der Streit um das Wernher-von-Braun-Gymnasium in Aichach begann und die Grünen die gleichnamige Brucker Straße kritisierten, ordnete der damalige OB Sepp Kellerer (CSU) an, sämtliche Straßennamen unter die Lupe zu nehmen, um das Thema aufzuarbeiten.

Der Kulturausschuss setzte einen Arbeitskreis ein, der nach knapp zweijähriger Diskussion fünf Straßenpatronen einen Persilschein ausstellte. Das Kriterium, wonach die Mitgliedschaft in der NSDAP Ausschlussgrund ist, wurde im Fall des Malers Otto Kubel schon vom Arbeitskreis über Bord geworfen. Im März 2015 offenbarte sich im Ausschuss, dass etliche in der BBV-Fraktion den SS-Sturmbannführer Wernher von Braun wegen seiner Mondraketen und den Wehrwirtschaftsführer Willy Messerschmitt wegen des Kabinenrollers respektieren. Auch für den Schriftsteller August Langbehn, einen Propagandisten des eliminatorischen Antisemitismus, fanden sich Argumente.

Ob Klaus Pleil (BBV) setzte im Juli 2015 durch, dass erst mal ganz basisdemokratisch die Anwohner befragt werden. Das Ergebnis war vorhersehbar, die Mehrheit der Teilnehmer der vier Versammlungen im Mai und Juni 2016 verteidigte die Straßenpatrone. Bei einer Versammlung in Puch trat sogar jemand auf, der nichts dabei findet, Menschen in verschiedene Rassen aufzuteilen.

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Quelle:
SZ vom 05.08.2016
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