Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Strahlende Lichter in der Dämmerung

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Friedrich Deschauer von der Pfarrei Sankt Bernhard führt in der "Langen Nacht der Christen" zu Orten, an denen besonders engagierte Menschen wirken

Von Leonie Albrecht, Fürstenfeldbruck

Eine "Stadtführung der besonderen Art" nennt Robert Reischmann von der Neuapostolischen Kirche die abendliche Wanderung, zu deren Beginn sich 60 Christen auf dem Geschwister-Scholl-Platz versammelt hatten. Schon seit 2007 veranstaltet die Sankt-Bernhard-Kirche gemeinsam mit weiteren christlichen Kirchengemeinden während der Fastenzeit die "Lange Nacht der Christen", so auch am vergangenen Freitag. "Die meisten Helfer sind Freiwillige, die sich einbringen wollen und bei der Organisation mitmachen", sagt Friedrich Deschauer, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Sankt-Bernhard-Kirche zuständig ist und die Wanderung an diesem Abend anleitet. Unter dem Thema "Suchet der Stadt Bestes und betet für sie" wurden in diesem Jahr Orte besucht, an denen Menschen anderen helfen und durch ihr Engagement der Stadt und den Einwohnern Gutes tun. In einem kleinen Hinterhof sammelt sich die Gruppe vor dem ersten Ziel des Abends, der Diakonie. Mit ihrem großen Angebot an Sozialberatungen und der Arbeit mit Kindern biete die Diakonie Hilfe in der Not, direkt vor Ort und in jeder Lebenslage, erklärt Helmut Wurm von der Freien evangelischen Gemeinde. "Sie ermöglicht jedem, lebendigen Glauben zu erleben", fasst Wurm zusammen. In einem freien Gebet ergreifen einige Teilnehmer das Wort, sie beten für die Hilfesuchenden und jene, die Hilfe bieten. In der eintretenden Dämmerung werden Kerzen angezündet, die den weiteren Weg mit ihrem warmen Licht begleiten. Im Schein der Kerzen stimmen die Teilnehmer außerdem das erste Lied des Abends an, begleitet durch die sanften Klänge des Akkordeons von Kirchenmusiker Simon Probst.

Mit dem Begriff der Begegnung setzen sich Freiwillige der Sankt-Magdalena-Kirche im Mehrgenerationenhaus in Texten und Gebeten auseinander. Das Teilen von Brot unterstreicht das gemeinschaftliche Handeln symbolisch. An diesem Ort fänden Menschen verschiedener Kulturen und jeden Alters zusammen, wie in Sprach-Cafés oder der Tagespflege, sagt Marlene Gnam, Leiterin der Nachbarschaftshilfe. Hilfe braucht auch, wer eine neue Heimat sucht und den das Heimweh überkommt. Die Israeliten fühlten sich nach ihrer Verschleppung verloren, erklärt Ursula Leitz-Zeilinger, Pfarrerin der Gnadenkirche. Bis sie schließlich erkannten, dass ihr Glaube und somit auch ihre Heimat nicht an einen Ort gebunden waren. Es ist wichtig, "dort zu sein, wo wir sind und dort zu leben", fügt Leitz-Zeilinger hinzu, bevor die Kerzen einer Lichterkugel entzündet werden, in Gedenken an alle Hilfesuchenden.

Bevor sich der Fürstenfeldbrucker Westen entwickelte, siedelten sich dort viele Vertriebene an, auf der Suche nach einer neuen Heimat, erzählt Deschauer. Die Errichtung der Sankt-Bernhard-Kirche, der letzten Station des Abends, stand für ein neues christliches Zentrums abseits der Klosterkirche Fürstenfeld. Sie diente als Zufluchtsort und steht auch heute noch für einen Raum des Austauschs, an dem Menschen voneinander lernen. "Sie war eine Kirche für die Armen, aber niemals armselig", so Deschauer. Im Pilgerschritt bewegt sich die Gruppe zum Altar und schließlich aus der Kirche hinaus, die Kerzen flackern in ihren Händen. Sie gehen dabei immer zwei Schritte vor und einen Wiegeschritt zurück. Das zeigt Licht und Schatten, die beide das Leben begleiten.

Am Ende des Abends lädt das Pfarrheim Sankt Bernhard zu einer gemeinsamen Mahlzeit ein. Deschauer ist sehr zufrieden mit dem Verlauf der Langen Nacht. Etwa 80 Menschen begleiteten die Wanderung, noch mehr als im letzten Jahr. "Aber am Schönsten war die aktive Beteiligung der Menschen, das ist viel wichtiger als die Gesamtanzahl", sagt er. Auch Reischmann betont bereits zu Beginn, wie besonders es ist, dass es so viele aktive Gläubige gibt, die das Christentum bereichern. Die Ökumene ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit, deshalb hofft Deschauer, dass die Teilnehmer wissen: "Wir Christen ziehen heute an einem Strang".

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Quelle:
SZ vom 15.04.2019
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