Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Smalltalk fürs Klima

Die Initiative "Gröbenzell for Future" sucht beim Picknick im Bürgerpark das Gespräch. Es geht darum, wer was tun kann für die Energiewende. Auch Gemeinde und Bund werden von den Besuchern in die Pflicht genommen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Klimaschutz heißt nicht automatisch Verzicht. Denn es kann Spaß machen, das Auto stehen zu lassen, aufs Fahrrad zu steigen. Und die Solarzellen auf dem eigenen Dach sind nicht nur gut fürs Gewissen - mit ihnen lässt sich sogar Geld verdienen. Die Gruppe "Gröbenzell for Future" hat es sich zum Ziel gesetzt, genau darüber aufzuklären. Und dies ohne erhobenen Zeigefinger. Das finden auch viele Gäste des sonntäglichen Picknicks im Bürgerpark gut, auch wenn der eine oder andere Gesetzgeber und Gemeinde gern stärker in die Pflicht nehmen würde.

Bereits am Vormittag ist ein Teil der auf der Grünfläche abgesteckten Parzellen belegt - in coronakompatiblem Abstand. Zeitweise sind um die 50 Gäste da, es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Es wird Gitarre gespielt, gegessen, getrunken, geredet. Gemeinsam ins Gespräch zu kommen, das sei ein wichtiges Etappenziel, sagt Ariane Zuber, die Ortsvorsitzende des Bundes Naturschutz. Gemeinsam mit ihrem Mann Walter Voit, dem Sprecher des Grünen-Ortsverbandes, sowie einigen Mitstreitern hat sie die erste öffentliche Veranstaltung der im Herbst gegründeten Gruppe "Gröbenzell for Future" organisiert. Unter den etwa 20 Aktiven sind Vertreter der Kirchen und verschiedener Parteien.

Unterhält man sich mit Ariane Zuber, dann wird schnell klar, um was es geht: im Kleinen und vor der Haustür anzufangen, umzudenken. Auch mal nachzudenken, bevor man die Kinder mit dem Auto in die Schule kutschiert. "Es ist schon fünf nach zwölf," sagt sie. Es muss endlich was passieren. Nur den Kopf schüttelt kann sie angesichts des jüngsten Aufschreis, nur weil zwei ehemalige Parkplätze nun reserviert sind für Lastenfahrräder. Selbst fand sie mit ihrem E-Auto wiederholt keinen Platz an einer öffentlichen Ladesäule, weil auf dem markierten Stellplatz "normale" Autos parkten - ohne dass deren Fahrer offenbar Konsequenzen zu fürchten brauchten. Voit steht etwas weiter an einem Plakatständer und erklärt einem Besucher, wie sich Gröbenzell entwickelt. In mancher Hinsicht nicht optimal, soviel ist klar. Es werden immer mehr Autos, vor allem die schweren und großen Geländewagen sind beliebt.

Aber auch die vielen Dreckschleudern in den Häusern sind ihm ein Dorn im Auge. Viele Gröbenzeller wüssten gar nicht, welch gute Alternativen zu alten Öl- und Gasbrenner es gebe und wie schnell sich die auch noch rechnen kann. In der dicht bebauten Gemeinde kann man nicht mal eben ein Windrad bauen, schon klar. Aber Platz für Photovoltaik auf Dächern gäbe es zur Genüge. Mit einem Anteil von fünf Prozent Strom aus eigenen regenerativen Energiequellen steht Gröbenzell nicht gerade glänzend da. Auch die Gemeinde könne sich noch mehr engagieren, glaubt Voit. Immerhin geht der Bürgermeister mit gutem Vorbild voran und ist regelmäßig mit dem Lastenrad unterwegs - gemeinsam mit Drittem Bürgermeister Gregor von Uckermann (SPD) stattet Martin Schäfer (UWG) denn auch dem "Picknick for Future" im Bürgerpark einen Besuch ab. In Lastenrädern sieht Voit eine Chance, auch Einkaufsfahrten umweltfreundlicher zu gestalten. "Gröbenzell ist ja bestens für Räder geeignet, die Gemeinde ist flach und misst um die drei Kilometer im Durchmesser."

In Reichweite liegt für etwas ambitioniertere Radfahrer der Unverpacktladen in Fürstenfeldbruck. Neben dem Stand von Slowfood, an dem Richard Bartels über nachhaltige Ernährung informiert und seltene Apfelsorten offeriert, präsentiert Edith Wimmer ihre Geschäftsidee ausnahmsweise in der Gröbenzeller "Diaspora". Auch wer möglichst ohne Plastikverpackung einkauft, tut etwas für den Umwelt- und Klimaschutz. Ende März hat sie ihren Laden "Füllosophie" an der Feuerhausstraße eröffnet, es ist der zweite Unverpackt-Laden in der Kreisstadt. Die Palette der Bioprodukte reicht von Gummibärchen über Müsli bis zu Reinigungsprodukten. Kunden können eigene Behälter befüllen. Die werden erst leer gewogen und dann befüllt ein zweites Mal. Preislich könne man mit Biosupermärkten gut mithalten, sagt Edith Wimmer.

Die Strecke bis Fürstenfeldbruck wäre für die Familie Hartl, die ihre Picknickdecke neben dem Weg ausgebreitet hat, gar kein Problem. Eltern und Kinder sind geübte Radfahrer. Und die sieben Monate alte Hündin Lucy dürfte in ein paar Monaten weit genug sein, um im Radlurlaub dabei zu sein - etappenweise gern im Kinderanhänger. Vergangenes Jahr ging es drei Tage lang 200 Kilometer zur Oma - hat alles bestens geklappt und Spaß gemacht. "Da erlebt man was", sagt Vater Matthias Hartl. Und bei den Kindern kommt gar nicht erst Sehnsucht auf nach fernen Ländern jenseits von Europa. Den Zweitwagen haben die Hartls abgeschafft. Wenn es jetzt noch mehr und ausreichend breite Radwege in Gröbenzell und Tempolimits gäbe, würden vielleicht noch mehr Menschen auf den Geschmack kommen. Ohne härtere Gesetzte werde man bei der Mehrheit aber wohl nicht allzu viel bewegen. Auch die Gemeinde sehen die Hartls in der Pflicht. Ein autofreies Zentrum wäre doch nicht nur gut für die Einwohner, sondern auch für die Gastronomie, findet Doris Hartl. In ihren Kindern haben die Eltern Verbündete. So arbeitet die 15 Jahre alte Tochter Chiara in der schulischen Umwelt AG mit und versucht, Plastikmüll zu reduzieren.

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SZ vom 10.08.2020
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