Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Schulen für Togo, Know-how für Nahost

Entwicklungszusammenarbeit gilt nicht mehr nur als nationale Angelegenheit. Auch die Kommunen sollen und wollen sich künftig stärker einbringen. Bereits bestehende zivilgesellschaftliche Initiativen sollen eingebunden werden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Germering und Domont (Frankreich), Fürstenfeldbruck und Zadar (Kroatien) oder Wichita Falls (Texas), Puchheim und Salo (Finnland), Eichenau und Wischgorod (Ukraine), Gröbenzell und Pilisvörösvár (Ungarn): Seit langem haben Städte und Gemeinden Partnerstädte in Europa oder Übersee. Sie dienen der Völkerverständigung und dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Nun möchte sich der Landkreis Fürstenfeldbruck mehr für die Länder des globalen Südens engagieren, der Kreisausschuss bekundete mit einstimmigem Votum sein Interesse daran. Bereits im Landkreis bestehende Eine-Welt-Initiativen sollen eingebunden werden.

Eine sogenannte kommunale Entwicklungszusammenarbeit soll helfen, eine nachhaltige Entwicklung in den Ländern zu etablieren. Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit löst dabei den früheren Begriff der Entwicklungshilfe ab. Beide Partner sollen sich gleichberechtigt begegnen. Rechtlich ist ein diesbezügliches Engagement von Kommunen in Deutschland bislang nicht eindeutig geregelt. Die Kommunen gelten jedoch als Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem zivilgesellschaftlichem Engagement. "Ihre Bürgernähe eignet sich in besonderer Weise, Menschen für eine nachhaltige, umweltverträgliche und gerechte Entwicklung zu sensibilisieren", heißt es auf der Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Unter kommunaler Entwicklungspolitik versteht man alle Mittel und Maßnahmen, die Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung ergreifen, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Das bedeutet, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht nur auf nationaler Ebene spielt. In der Stadt München beispielsweise gibt es bereits seit 2010 ein entsprechendes Rahmenkonzept.

Die SPD-Fraktion im Brucker Kreistag hatte die Angelegenheit per Antrag auf den Tisch gebracht. "Die globalen Herausforderungen der menschlichen Entwicklung, die Herausforderungen in Klima- und Umweltfragen sowie die weltweite insbesondere durch Armut ausgelöste Migration sind nur durch kollektives Handeln der Weltgemeinschaft zu bewältigen", heißt es darin wörtlich. Die Sozialdemokraten fordern, dass sich möglichst viele Akteure der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit zusammentun mögen, dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen, praktische Unterstützung leisten und Lernprozesse anregen. Kommunale Entwicklungspolitik sei "Querschnitts- und Zukunftsaufgabe", schreibt SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Falk im Antrag.

Für die Idee konnten sich auch die übrigen Fraktionen erwärmen. Hans Seidl, CSU-Kreisrat und Bürgermeister von Maisach, empfahl einen Runden Tisch einzuberufen, an dem entsprechende Vereine und Gruppierungen zusammenkommen und sich vernetzen sollten. Falk hatte mit seinem Vorschlag, einen Fachtag zu veranstalten, ein ähnliches Konzept vorgeschlagen. Bereits seit 2001 besteht eine entsprechende "Servicestelle Kommunen in der einen Welt", die Städte und Gemeinden in Fragen der kommunalen Entwicklungspolitik berät und unterstützt. Der Landkreis Fürstenfeldbruck hat sich mittlerweile zusammen mit dem Kreis Dachau der Initiative "Kommunales Know-how für Nahost" angeschlossen. Eine siebenköpfige Delegation aus beiden Landkreisen besuchte Mitte Juni vier Kommunen in Jordanien. Dabei ging es vor allem um Fragen der Abfallwirtschaft. Im Herbst steht der Gegenbesuch der Vertreter aus Jordanien an.

Außerdem beteiligt sich der Landkreis an der kürzlich vom Kreis Donau-Ries gegründeten Initiative "1000 Schulen für unsere Welt", die bei Bürgern und der lokalen Wirtschaft Spenden für Schulbauprojekte in Afrika sammelt. Nach Erkenntnissen der Initiative benötigt man etwa 50 000 Euro, um eine neue Schule zu errichten. So könne man einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Bildung leisten und die Zukunft von Kindern sichern, hatten Landrat Thomas Karmasin und Kreisrätin Margret Kopp (beide CSU) im März gesagt, als sie die Pläne erstmals vorstellten. Kopps Maisacher Verein "Pit Togohilfe" wird die Initiative unterstützen. In Maisach bestehen bereits langjährige Schulpartnerschaften mit Dörfern in Togo. Die Schülerzahlen dort sind gestiegen, die Grundschule in Koutandiégou braucht deshalb dringend ein weiteres Schulgebäude, das nun im Rahmen des 1000-Schulen-Projekts verwirklicht werden soll. Martina Schwarzmann, aus dem Maisacher Ortsteil Überacker stammende Kabarettistin, erinnerte sich an die Togo-Partnerschule aus ihrer eigenen Schulzeit in Maisach und erklärte sich deshalb zu einer 10 000-Euro-Spende als Startschuss für die Sammelaktion bereit. Nun sollen weitere Städte und Gemeinden, Schulen oder Unternehmen dafür gewonnen werden, Spendensammlungen für Schulbauprojekte zu initiieren. Als Vorbild gilt die Aktion der Mitarbeiter des Landratsamtes im Kreis Donau-Ries, die allein die Spenden für einen Schulbau aufbrachten.

Kreis-Pressesprecherin Ines Roellecke gab in der Sitzung des Kreisausschusses den Vorschlag weiter, bei den Ende des Jahres anstehenden Beratungen zum Kreishaushalt für 2020 eine eigene Personalstelle im Landratsamt für die kommunale Entwicklungszusammenarbeit einzuplanen, die vom Bund finanziell gefördert werde. Diese zusätzlichen Aufgaben ansonsten vom bestehenden Personal übernehmen zu lassen, sei "schwierig, wenn nicht gar unmöglich". Sie gab auch zu bedenken, dass der Landkreis bislang "neu im Thema Entwicklungshilfe" sei. Man müsse vorsichtig agieren, damit die Aufgabe auch zu bewältigen sei.

Vorsicht mahnte auch ÖDP-Kreisrat Max Keil an. Er warnte davor, Organisationen wie Campo Limpo in Puchheim, die teilweise schon seit 25 Jahren auf diesem Feld agierten, durch das Landkreisengagement vor den Kopf zu stoßen. Neben der Entwicklungszusammenarbeit sollte man auch überlegen, "was wir denn tun können", forderte Keil. Campo Limpo etwa fordere "anders zu leben, damit wir überleben". Nun soll zuerst abgeklärt werden, inwieweit man die Stelle über ein Bundesprogramm finanzieren kann.

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SZ vom 14.09.2019
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