Schon die Klimaschutzdemonstrationen "Fridays for Future" von Schülern zeigen, dass Jugendliche hierzulande keineswegs politikverdrossen sind. Die Veranstaltung des Kreisjugendrings (KJR) Fürstenfeldbruck zum Thema "Europa" unterstreicht diese Tatsache zusätzlich. Da ist der Stadtjugendrat Fürstenfeldbruck, der dafür kämpft, dass am Rathaus auch die Europafahne hochgezogen wird und der ein "Politikfestival" plant. Und da sind auch die Schüler des Gymnasiums Olching, die Rechtsextremismus und Rassismus zum Thema machen.
"Jugend gegen Rechts" heißt das Projekt, mit dem die Oberstufenschüler in die siebten Klassen gehen. "Wir wollen da keine Meinungen verbreiten, "sondern Fakten über AfD und NPD sprechen lassen", bekräftigt eine Olchinger Schülerin. Zum Beispiel die Aussage von AfD-Politiker Björn Höcke, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet hat. "Welches Europa wollen wir?" ist ein wissenschaftliches W-Seminar in der elften Klasse überschrieben, das mit Blick auf die EU-Wahl am 26. Mai diese grundlegende Frage behandelt. "Sarah bastelt an einer Europa-Unterrichtsstunde", erläutert Sozialkunde-Lehrerin Sonja Zimmermann und fotografiert stolz die Szenerie mit ihrem Handy. Michael Roth (SPD) Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, der in Begleitung des Olchinger SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi gekommen ist, stellt sich, moderiert vom KJR-Vorstandsmitglied Tobias Ketzel, den kritischen Fragen der Jugendlichen.
So fragt ihn ein Schüler, warum die Digitalsteuer für die Internetkonzerne wie Google und Facebook nicht kommt. "Weil der Kompromiss nicht einstimmig angenommen wurde", antwortet der 48-jährige Staatsminister, der aus Ost-Hessen kommt und seit 20 Jahren dem Bundestag angehört. Er selbst sei auf Facebook, Instagram und Twitter präsent.
Schüler Sascha glaubt, dass das Scheitern an der Drohung der USA gelegen haben könnte, dass diese eine Automobilsteuer auch für deutsche Autos erheben könnten. Bei der Frage zur Asylpolitik von Schüler Luca Labonte räumt Roth ein, dass die Verteilung von Asylbewerbern und Flüchtlingen "ein totes Pferd ist". Sein Vorschlag: "Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, bekommen einen finanziellen Bonus." Roth plädiert für einen Außengrenzschutz, aber auch dafür, "keine Mauern" hochzuziehen. Diesen Widerspruch klärt er nicht auf. Gymnasiastin Seyma Güler aus der neunten Klasse will noch wissen, warum Migranten auch nach 40 Jahren immer noch "das Gefühl haben, nicht dazu zu gehören." Roth sieht da "Nachholbedarf" bei der Mehrheitsgesellschaft (Motto: "Ihr seid willkommen.") und bei den Eingewanderten ("Lasst euch ein auf uns.").
Gewaltig ins Schleudern kommt Roth dann aber bei der konkreten Frage des Brucker SPD-Stadtrates und ehemaligen KJR-Vorsitzenden Philipp Heimerl. "Bau eines europäischen Flugzeugträgers oder mehr europäische Sozialpolitik?", wollte Heimerl wissen. "Ich bin schon für mehr europäische Sozialpolitik", sagt Roth, "aber wenn wir Europa schützen wollen, müssen wir auch Sicherheit gewährleisten." Heimerl überzeugt die Antwort nicht, wie er später auf Anfrage sagt: "Es wäre schön gewesen, wenn er das klar beantwortet hätte."