Fürstenfeldbruck:Schönheitswahn

Fürstenfeldbruck: Jana Krämer (2. von rechts) diskutiert mit (von links) Thorsten Kögler von der Bezirksregierung), Sigrid König von der BKK, Moderatorin Maja Schrader und Carolin Martinovic vom Therapienetz Essstörungen.

Jana Krämer (2. von rechts) diskutiert mit (von links) Thorsten Kögler von der Bezirksregierung), Sigrid König von der BKK, Moderatorin Maja Schrader und Carolin Martinovic vom Therapienetz Essstörungen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Jana Crämer erzählt schonungslos offen von ihrer Essstörung

Von Eva Runkel, Fürstenfeldbruck

Echte Tränen auf der Bühne und im Publikum - Jana Crämer hat die Besucher ihrer Konzertlesung am Montag in der Berufsoberschule mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt genommen. In ihrem Roman "Das Mädchen aus der ersten Reihe" bricht Jana Crämer das Schweigen über ein sensibles Thema und berichtet in schonungslos ehrlichen Worten von ihrer eigenen Essstörung und dem Versuch, davon loszukommen. Begleitet wird sie dabei von der Band "Batomae".

Sigrid König, Geschäftsführerin des BKK Landesverbands Bayern, verdeutlicht, welche Rolle die sozialen Medien bei den Schönheitsidealen spielen. Etwa 80 Prozent der Jugendlichen seien unzufrieden mit ihrem Gewicht und nahezu jedes dritte Mädchen von elf bis 17 Jahren zeige Anzeichen einer Essstörung. Was das bedeuten kann, macht Jana Crämer klar. In beeindruckender Manier schildert die 36-Jährige ihre Erfahrungen. An manchen Stellen bricht ihre Stimme, an anderen kann sie sich ein Lachen nicht verkneifen, wenn Erinnerungen wieder hochsteigen.

Wer gedacht hat, eine Geschichte über Essstörungen wäre eine todernste Angelegenheit, hat sich freilich geirrt. Jana Crämers Roman, der aus ihrem persönlichen Tagebuch entstanden ist, beschäftigt sich keineswegs nur mit ihrer Krankheit und den Schattenseiten des Lebens, sondern erzählt gleichzeitig von einer wunderbaren Freundschaft, die der Anstoß für ihren ersten Schritt Richtung Genesung war.

Dem Publikum wird dies eindrucksvoll veranschaulicht: denn ihr bester Freund, David Müller, steht als Frontmann der Band neben ihr auf der Bühne. Zusammen mit seinen zwei jüngeren Brüdern Janik und Florian begleitet er die Lesungen mit teils eigens dafür geschriebenen Stücken. Wenn Batomae immer wieder die passenden Lieder zum gelesenen Text erklingen lässt, tanzen die Schüler zur Musik, während goldenes Konfetti auf sie herabregnet. Wenig später können sich viele die Tränen nicht verkneifen, als Jana Crämer erzählt, wie sie von einigen ihrer Mitschüler behandelt wurde. Ihr offener Umgang mit einem so schwierigen und persönlichen Thema sowie ihre ehrlichen Worte treffen die Zuschauer augenscheinlich tief und regen zum Nachdenken an. Sie spricht über Gefühle und Zweifel, die wohl jeder in ähnlicher Form schon einmal erlebt hat. Dabei ist die Nachricht, die Jana Crämer und Batomae übermitteln wollen, sehr eindeutig: "Genauso, wie du bist, bist du unvergleichlich". So drückt es der 31-jährige Sänger im gleichnamigen Lied aus.

Bei der Produktion des Musikvideos kam den beiden Freunden die Idee, sich mit der Geschichte an die Öffentlichkeit zu wenden, um so andere Menschen zu erreichen und ihnen zu helfen. Bereits in der fünften Klasse entwickelte sich Jana Crämers Essstörung. Viele Jahre konnte sie mit niemandem darüber sprechen, bis sie sich ihrem besten Freund anvertraute, indem sie ihm ihr Tagebuch zu lesen gab. David Müllers Antwort darauf waren drei Lieder, die er eigens dafür komponierte. Die positiven Reaktionen und die Anerkennung, die sie für das Musikvideo eines dieser Lieder ernteten, zeigten Jana Crämer das erste Mal, dass sie nicht allein mit ihren Problemen war. Seit 2015 ist sie auf dem Weg der Besserung, wobei ihr die Auftritte sehr helfen. "Jede Lesung, so schwer sie auch manchmal fällt, tut mir gut". Derzeit arbeitet die Berliner Autorin am zweiten Teil ihres Romans und berichtet fortlaufend in ihrem Blog unter www.endlich-ich.com über ihr Leben.

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