Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Schicksal eines Gemobbten

Lesezeit: 2 min

Schüler des Viscardi-Gymnasiums zeigen berührende Eigenproduktion

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Und plötzlich ist er nicht mehr da. Der Platz des Schülers, neben dessen Bank am Vortag noch "Christian stinkt" an die Wand geschmiert war, bleibt zu Unterrichtsbeginn leer. Die Leinwand wird schwarz, im Kinosaal herrscht Stille. Die 110 Jugendlichen des Viscardi-Gymnasiums, die gerade den Kurzfilm "Abseits" gesehen haben, sind offenbar beeindruckt. Gedreht hat den Film zum Thema Mobbing ein Team von Schülern des Gymnasiums, nun hat er im Brucker Scala Kino seine Premiere gefeiert.

Und es ist tatsächlich ein bewegender Film geworden, den die Gruppe um Benedikt Bucher und dem Zehntklässer Valentin Eckmann produziert hat. Neun Monate haben sie an dem Projekt gearbeitet, unterstützt von Lehrerin Alexandra Stumbaum und mit viel privatem Engagement. Allein die Schnittarbeiten hätten 150 Stunden gedauert, erzählt Bucher, das meiste davon habe man irgendwann abends und in der Nacht erledigt. Vorbereitet hätte sich die Gruppe vor allem durch Gespräche mit Betroffenen und Recherche im Internet, erzählt Benedikt Bucher.

Für Drehbuch, Regie und Schnitt war Eckmann verantwortlich. "Auf die Idee gekommen bin ich bei einer SMV-Tagung im vergangenen Jahr. Da wurden wir gefragt, ob wir ein Projekt gegen Mobbing unterstützten könnten. Und da habe ich gedacht, ein Film wirkt da bestimmt mehr als ein Seminar". Also habe er sich einfach hingesetzt und angefangen, das Drehbuch zu schreiben, "aus dem Bauch heraus", wie er sagt. Der Film erzählt die Geschichte von Christian (überzeugend gespielt von Christian Pröpper), der von seinen Mitschülern gemobbt wird, in der realen Welt genauso wie im Internet. Dabei werden die Schikanen immer massiver. Anfangs sind es noch Rempler und Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, später peinlich bearbeitete Fotos auf Instagram, die zahlreiche Likes und Kommentare erhalten. Bis es dann zu einer Aktion kommt, die das Fass zum überlaufen bringt.

Der Film ist deshalb so sehenswert, weil die Geschichte filmisch überzeugend umgesetzt ist. Das Team hat für jede Szene die passenden, sauber gefilmten Bilder gefunden, fängt Stimmungen und Gefühle genau ein, arbeitet mit Effekten wie Unschärfe, wenn sich das Geschehen auf zwei Protagonisten verengt oder leichter Überbelichtung für eine Albtraum-Szene. Unterstützt wird das durch die von Valentin Eckmann selbst komponierte und eingespielte Musik. Gedreht wurde im Viscardi-Gymnasium und im Scala. Kinoleiter Markus Schmölz war von dem Projekt so begeistert, dass er nicht nur die Dreharbeiten unterstützt, sondern den Schülern auch angeboten hat, den Film auf der großen Leinwand zu zeigen - kostenlos.

Im Anschluss an die Vorführung gab es dann einige Fragen von den Schülern an das Filmteam. Warum der Film so ein schlechtes Ende habe, wollte beispielsweise ein Schüler wissen. "Wir haben uns für den harten Bruch entscheiden und die Geschichte nicht abgeschlossen, damit die Zuschauer weiter nachdenken, auch darüber, wie es jedem selbst gehen würde, wenn er so behandelt wird", antwortete Eckmann. Und eine Lehrerin wollte wissen, warum die Hauptfigur so angelegt ist, dass sie ihre Sorgen lieber mit sich selbst ausmacht, als sich an jemanden zu wenden. "Ich glaube es ist für die Opfer schwierig. Der Druck, den sie gemacht bekommen, ist extrem Hoch. Und wenn dann wie in diesem Fall auch noch die Mutter nie da ist, dann frisst man das schnell in sich hinein". Deshalb richtete das Filmteam noch den Appell an alle, respektvoll miteinander umzugehen.

Einen Trailer von "Abseits" gibt es auf der Homepage des Gymnasiums unter www.viscardi-ffb.de zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2018
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