Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Runge sieht Strahlung weiter skeptisch

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Während die Grünen ihren Protest gegen Mobilfunk weitgehend aufgegeben haben und mittlerweile sogar ein Recht darauf fordern, bleibt der Gröbenzeller bei seiner Skepsis

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Wie sich die Zeiten ändern. Vor 18 Jahren erreichte im Landkreis die Protestwelle gegen Mobilfunk mit den Grünen als der maßgeblich treibenden Kraft ihren Höhepunkt. Inzwischen fordert die Bundestagsfraktion der Grünen ein Recht auf Mobilfunk. Als sich 2002 Bürgerinitiativen aus zehn Gemeinden zusammenschlossen, um ihre Kräfte im Kampf gegen die gesundheitlichen Gefahren der Mobilfunkstrahlen zu bündeln, wäre das undenkbar gewesen. Wie vielen Bürgern war es damals den Landkreis-Grünen ein Kernanliegen, beim Bau weiterer Sendemasten auf die Gesundheit der Anwohner Rücksicht zu nehmen. Hierfür wurde regelmäßig öffentlichkeitswirksam und vor allem erfolgreich demonstriert. Wegen der auch für Sendemasten geltenden kommunalen Planungshoheit geschah das häufig mit Unterstützung aus den Rathäusern. Immer wieder gelang es, Standorte zu verhindern und unerwünschte Masten an Ortsränder zu verlegen.

Inzwischen sehen viele im Ausbau des Netzes weder ein Ärgernis noch eine Gefahr. Demonstriert wird im Landkreis dagegen schon lange nicht mehr. Statt der Masten werden nun eher Funklöcher als störend empfunden. Einiges, was hiesige Bürgerinitiativen noch in den Nullerjahren forderten, beispielsweise mobilfunkfreie Zonen in Nahverkehrszügen, mag für Jüngere klingen wie Nachrichten aus der Steinzeit des mobilen Internets. Mit einer kuriosen Aktion bemühte sich 2001 ein Landsberieder sogar, die Gefahr von Funkstrahlen zu belegen. Der Mann wollte mit Pendel und Wünschelrute festgestellt haben, dass die Strahlen der Mobilfunk-Antennen auf dem Wasserturm der Gemeinde die Qualität des Trinkwassers verschlechtern und nahm dazu sogar öffentlichkeitswirksam Messungen in Anwesenheit eines Notars vor. Zum Glück gehört so etwas der Vergangenheit an.

Dass Funklöcher ein Anachronismus sind, sehen inzwischen viele so. Für die Bundestagsfraktion der Grünen ist ein mobiles Breitband-Internet eine Selbstverständlichkeit. Deshalb forderte sie kürzlich in einer Gesetzesinitiative sogar ein Recht auf Mobilfunk, weil dieser zur Daseinsvorsorge gehört. Diesmal sind es jedoch nicht Bürger, die sich gegen die Pflicht zum Netzausbau wehren, sondern deren Betreiber. Diese wollen nicht dazu verpflichtet werden, hohe Investitionskosten auf dem Land zu tragen, die keine Rendite versprechen.

Ein Grüner zeigt sich nicht gerade erfreut über die Initiative der Bundestagsfraktion seiner Partei zur Versorgung der weißen Flecken. Das ist der Landtagsabgeordnete Martin Runge. Er lieferte früher mit einem Buch als Streitschrift den Demonstrierenden eine Argumentationsgrundlage. Der Gröbenzeller bleibt beim Mobilfunk konsequent, auch wenn es schwieriger geworden ist, mit diesem Thema noch Menschen mitzunehmen. Runge besitzt kein Handy und er hält es weiter für angebracht, die Ausbreitung von Hochfrequenzfunk weder unreflektiert zu fordern, noch über die Maßen voranzutreiben. Mit dem Anspruch immer und überall, auch hinter dicksten Wänden Empfang zu haben, steige nur die Belastung durch Mikrowellen mehr und mehr an, sagt er. Worunter insbesondere "elektrosensible Menschen" litten.

Auch wegen des Datenschutzes und der Datensicherheit sieht Runge den rasant steigenden Mobilfunk kritisch. Unter dem Stichwort Klimadebatte weist er darauf hin, dass dessen ausufernde Nutzung einen gigantischen Energieverbrauch verursacht. "Streamen ist das neue Fliegen", sagt er. So verbrauchten Server, Rechenzentren und Datenbanken mehr Energie als der weltweite Flugverkehr. In wenigen Jahren, so Befürchtungen, solle der Energiebedarf des gesamten Verkehrssektors getoppt werden.

Verteufeln will der Gröbenzeller den auch aus seiner Sicht für manche Lebenssituationen und Berufsgruppen elementar wichtigen Mobilfunk nicht. Vor dem Hintergrund der ungeklärten Auswirkungen auf die Gesundheit solle man dessen Nutzung jedoch nicht ausarten lassen, warnt er. So sollten Festnetztelefone nicht generell durch Handys ersetzt werden. Und er verweist auf Alternativen wie eine bessere Glasfaser-Verkabelung. Über den Standort von Sendeanlagen solle nach wie vor stets im Einzelfall entschieden werden, auch weil häufig, wie früher wegen der Demos, schon Gespräche oder Vereinbarungen zu Verbesserungen führen.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2020
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