Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Runge fordert Moratorium für S 4-Ausbau

Der Grünen-Landtagsabgeordnete fürchtet, dass ein drittes Gleis zwischen Pasing und Eichenau einen weiteren Ausbau blockieren könnte. Mit seiner Skepsis steht er nicht alleine

Von Peter Bierl

Der bayerische Verkehrsminister Hans Reichart (CSU) hat angekündigt, einen viergleisigen Ausbau der Linie S 4 noch einmal untersuchen zu lassen. Allerdings sind die Pläne für einen dreigleisigen Ausbau weit fortgeschritten. Der Landtagsabgeordnete Martin Runge (Grüne) fordert deshalb ein Moratorium. Andernfalls würden Millionen zum Fenster hinausgeworfen.

Ursprünglich wollte die bayerische Staatsregierung einen viergleisigen Ausbau bis Buchenau, die Einweihung hatte einer von Reicharts Vorgängern für 2009 angekündigt. Dafür ließ der Freistaat seinerzeit schon eine Studie erarbeiten, die nach Angaben der Sprecherin des Verkehrsministeriums damals etwa 120 000 Euro gekostet hat. Dann schwenkte die Regierung um und gab dem Bau einer zweiten Stammstrecke in München Vorrang. Als die Bürgermeister an der S 4 einen provisorischen dreigleisigen Ausbau vorschlugen, wurde das von Regierung und Bahn AG als Stückwerk abgetan. 2014 erhob Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Flickschusterei zum Programm: Fortan hieß es, ein drittes Gleis bis Eichenau reiche völlig.

Engpass zwischen Geltendorf und Pasing im Visier

Inzwischen hat sich eine breite Protestfront gebildet, getragen von Umwelt- und Verkehrsverbänden, Grünen und SPD, der sich nun auch die Freien Wähler und Teile der lokalen CSU angeschlossen haben. Das hat Reichart wohl bewogen, eine neue Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Unklar blieb zunächst, ob die Strecke bis Bruck, Buchenau oder Geltendorf untersucht wird. "Die Studie wird sich mit den aktuellen strukturellen Entwicklungen entlang der S 4 West befassen", erklärte die Pressesprecherin des Ministeriums. Das darf man so deuten, dass die gesamte Strecke gemeint ist. Auf jeden Fall wäre es angebracht, den gesamten Engpass zwischen Geltendorf und Pasing ins Visier zu nehmen, nachdem die Elektrifizierung Geltendorf-Lindau 2020 abgeschlossen sein soll und damit zusätzliche Kapazitäten für den Regional- und Fernverkehr entstehen.

Wann die Machbarkeitsstudie für vier Gleise fertig ist, sei offen, sagte die Sprecherin. Gleichzeitig haben der Minister wie die CSU-Landtagsabgeordneten Benjamin Miskowitsch und Alexander Dorow betont, das dritte Gleis solle möglichst schnell verlegt werden. Die Bahn AG "strebt an", das Planfeststellungsverfahren 2021 beim Eisenbahn-Bundesamt zu beantragen. Bekomme man das Baurecht, könnte 2024 mit dem Bau begonnen werden, so dass eine Inbetriebnahme Ende 2030 möglich wäre, erklärte dazu die Sprecherin des Ministeriums. Für den barrierefreien Umbau in Puchheim liege derzeit "kein belastbarer Zeitplan" vor. Der neue Bahnsteig eins in Bruck, an dem Regionalzüge halten könnten, soll Ende 2022 eröffnet werden.

Das Verkehrsministerium widerspricht den Kritikern

Skeptiker wie Martin Runge und Thomas Brückner, Sprecher des Brucker Verkehrsforums, fürchten, dass manche neuen Anlagen wieder abgerissen werden müssen, sollte die neue Studie die Sinnhaftigkeit eines vierten Gleises bestätigen und dieses tatsächlich irgendwann gebaut werden. Denn seit Hermanns Ankündigung hatte es stets geheißen, der dreigleisige Ausbau werde so ausgeführt, dass kein viertes Gleis daneben passt. Das Verkehrsministerium widerspricht, ein Moratorium wird abgelehnt. Der Ausbau im ersten Abschnitt bei Pasing werde sowieso viergleisig ausgeführt und im weiteren Verlauf werde die vorgesehene Dreigleisigkeit "einen eventuell später erforderlichen viergleisigen Ausbau nicht verhindern", teilte die Sprecherin mit.

Das ist eine ausweichende Antwort. Brückner, Runge und der Puchheimer Stadtrat Manfred Sengl (Grüne) erzählen, dass ein Vertreter von DB Netze im Sommer den Stadt- und Gemeinderäten entlang der Strecke die aktuellen Ausbaupläne präsentierte, die zeigen, dass von Aufwärtskompatibilität keine Rede ist. "Wenn das vierte Gleis nicht mitgeplant wird, müssen erhebliche Teile der neu gebauten Bahnsteige samt Überdachungen und Unterführungen mit Treppen und Rampen wieder abgebrochen und Lärmschutzwände und deren Fundamente demontiert werden", bilanziert Brückner. Darstellungen aus der Präsentation belegen die Kritik.

Eingriffe in Natur und Privateigentum

"Es macht keinen Sinn, ein drittes Gleis zu bauen, und wenn man 2030 fertig ist, die nächste Baustelle einzurichten", sagt Runge. Ein solcher gestaffelter Ausbau würde dazu führen, dass manche neue Station jahrelang ausfällt, warnt Brückner. Eine Möglichkeit wäre allenfalls, alles schon so zu bauen, dass Platz für vier Gleise bleibt, etwa den Bahndamm, so dass bloß noch die Schienen verlegt werden müssen. Allerdings scheint man im Ministerium sowieso skeptisch. "Ein viertes Gleis würde erhebliche Eingriffe in Privatgrund und Naturflächen bedingen, was zwar bautechnisch machbar, jedoch genehmigungsrechtlich fraglich ist", sagte die Pressesprecherin. Solche Sätze bestätigen Kritiker, die die Machbarkeitsstudie für eine Alibiveranstaltung halten.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2019
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