Fürstenfeldbruck:Ringen um reine Luft

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Der Landkreis diskutiert die Anschaffung von Lüftungsanlagen für seine weiterführenden Schulen, kommt dabei aber nicht richtig voran - und verliert wertvolle Zeit

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

In gut drei Wochen beginnt das neue Schuljahr, wann die weiterführenden Schulen im Landkreis mit Raumluftreinigern ausgestattet sein werden, steht jedoch noch nicht fest. Die Mitglieder des Kreis-Ferienausschusses sahen sich am Donnerstag nicht imstande, einen Beschluss zu fassen, weil sie sich nicht ausreichend informiert fühlten. Die Kreisverwaltung hatte zuvor nur wenig dazu beigetragen, den Kreisräten fachliches Wissen für eine Entscheidung an die Hand zu geben. Ende September, so legte man grob fest, soll nun der Kreistag selbst als maßgebliche Instanz zu einer Sondersitzung zusammenkommen und die Verwaltung bis dahin das nötige Hintergrundwissen beschaffen.

Anderthalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie ist der Landkreis damit beim Versuch, seine Schulen gegen die Ansteckungsgefahr zu rüsten, noch keinen Schritt weitergekommen. "Ohne Erfassung der Bedarfe können wir solche Entscheidungen nicht treffen", monierte ein genervt wirkender SPD-Fraktionschef Christoph Maier. Die Frage von Martin Runge (Grüne), wie viele der insgesamt 880 Klassenzimmer an den Gymnasien, Realschulen und sonderpädagogischen Förderzentren bereits mit Lüftungstechnik ausgestattet sind, konnte die Verwaltung nicht beantworten. Helmut Port, Leiter des zuständigen Referats Hoch- und Tiefbau, murmelte etwas vom Max-Born-Gymnasium Germering und etlichen Turn- und Pausenhallen und davon, dass mögliche Anschaffungen auch abhängig seien von der jeweiligen Bauzeit der Schule. "Eine umfassende Bestandserfassung ist sehr zeitaufwendig", sagte er noch.

Runge konnte und wollte sich allerdings nicht vorstellen, "dass sämtliche unserer Schulen und da auch wieder sämtliche Räume ohne zentrale oder dezentrale Be- und Entlüftungsanlagen sind", wie er der SZ sagte.

Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, 220 Klassenzimmer der Jahrgangsstufen fünf und sechs an Gymnasien und Realschulen sowie sämtliche Klassenzimmer der zwei Förderzentren mit Raumluftreinigern auszustatten. Dies rief sogleich Empörung bei der SPD hervor, deren Antrag die Behandlung des Themas überhaupt erst auf die Tagesordnung gebracht hatte.

"Es kann nicht sein, dass wir in der Konsequenz unseres bisherigen Versagens in der Corona-Schulpolitik nun die Schülerinnen und Schüler in zwei Kategorien - bis zwölf und über zwölf - aufspalten und Präsenzunterricht für den größten Teil der Schülerinnen und Schüler von einer Impfung abhängig machen", schimpfte Christoph Maier bereits vorab in einer Pressemitteilung: "Dies ist ein Affront gegen alle Schülerinnen und Schüler der höheren Klassen und deren Eltern, welche erkennbar als weniger schutzwürdig eingestuft werden."

Landrat Thomas Karmasin (CSU) verteidigte in der zweistündigen Diskussion die Sichtweise des Landratsamtes. Die Luftreiniger hätten den Sinn, "junge Menschen, die noch nicht geimpft werden sollen, zu schützen". Für jene über zwölf Jahren gebe es dafür die Impfung. Die unterschiedliche Behandlung nannte er "durchaus gerechtfertigt". Die Luftreinigungsgeräte würden zudem nicht verhindern, dass bei einem Infektionsfall in der Klasse alle Mitschüler in Quarantäne müssten.

Warum die Geräte dennoch Sinn machten, fasste Grünen-Kreisrätin Angelika Simon-Kraus zusammen: "Mit jedem Kind, das sich nicht ansteckt, wird die Pandemie gebremst." Deshalb "alle zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen" forderte ihre Fraktionskollegin Barbara Helmers: "Wir sind eh spät dran." Und man habe bildungsmäßig in der Pandemie ohnehin "schon Kinder verloren". Was also würde eine Anschaffung von raumlufttechnischen Anlagen erst im Schuljahr 2023 nutzen?

, fragte sie. Nicht vor 2023 nämlich würden die dezentralen RLT-Anlagen, die verbrauchte Raumluft abführen und frische von außen ansaugen, eingebaut werden können, weil das Prozedere langwierig und ein europaweites Vergabeverfahren nötig ist. Den meisten Kreisräten gelten fest verbaute RLT-Anlagen dennoch als die beste und nachhaltigste Lösung. Sechs Millionen Euro würden es kosten, würden sie in den 220 Klassenräumen der Unterstufe installiert. Mobile Luftreiniger für dieselben Räume wären für 2,2 Millionen Euro zu haben, hatte die Verwaltung ausgerechnet.

Wie unsicher sich viele Kreisräte fühlten, brachte Gottfried Obermair (Freie Wähler) zum Ausdruck. Ihm fehle das fachliche Wissen dazu, er werde deshalb "eher vom Bauch her" entscheiden. An die Eltern appellierte er, ihre Kinder kurz vor Schuljahresbeginn testen zu lassen, "damit uns kein Infizierter in die Klassenzimmer reinrutscht". CSU-Fraktionssprecher Emanuel Staffler indes wollte nicht den Eindruck entstehen lassen, "dass nur diejenigen die Freunde der Schüler sind, die die mobilen Geräte wollen".

Manche Städte und Gemeinden sind längst weiter als der Landkreis, haben für ihre Schulen bereits Filtersysteme angeschafft oder auf den Weg gebracht. Zum Beispiel Maisach. Dessen Bürgermeister Hans Seidl (CSU), der auch Kreisrat ist, empfahl, Angebote einzuholen und die Klassenzimmer von einer Lüftungsanlagenfirma begutachten zu lassen. Er forderte aber auch: "Wir müssen ruhigen Kopf bewahren. Alles andere ist Aktionismus." Martin Runge verwies auf das Beispiel Germering, wo eine EU-weite Ausschreibung damit umgangen würde, dass jede Schule die Anschaffungen aus eigens zugeteilten Budgets tätige. Auch die Stadt Olching war bereits aktiv und mietete übergangsweise, so erzählte es SPD-Fraktionssprecher Maier, 70 mobile Geräte für neun Monate - bis die fest zu installierenden RLT-Anlagen geliefert würden. Sogleich versuchte Karmasin, den genannten Mietpreis von etwa 45 Euro pro Gerät auf einem Zettel auf 220 Klassenzimmer hochzurechnen. Eine Summe nannte er nicht, denn niemand wusste, ob die Preise nicht zwischenzeitlich höher liegen.

Angelika Simon-Kraus schlug deshalb vor, umgehend mobile Geräte anzumieten, "um nicht vor dem leeren Markt zu stehen". Doch die Ausschussmehrheit beließ es dabei, sich Ende September wieder mit dem Thema zu befassen. "Minimum sechs Wochen", sagte Referatsleiter Port, würde die Verwaltung zum Sammeln der geforderten Informationen benötigen. Karmasin nahm seine Behördenmitarbeiter derweil in Schutz: "Dass die Personalkostenkürzungen nicht ohne Folgen bleiben, das sieht man hier".

© SZ vom 21.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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