Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Rezepte gegen den Pflegenotstand

Die SPD fordert, die Kreisklinik für Personal attraktiver zu machen. Der Landrat nennt die Situation unspektakulär.

Gerhard Eisenkolb

Die monatelange Schließung einer Station der Kreisklinik, über die die SZ in der Donnerstagsausgabe berichtet hatte, führte am gleichen Tag zu einem heftigen politischen Schlagabtausch im Kreistag. Mit dem Hinweis, Patienten würden auf Gänge und in überfüllte Zimmer verlegt, forderten vor allem SPD-Politiker Landrat Thomas Karmasin (CSU) dazu auf, tätig zu werden. Er solle Abstand davon nehmen, Pflegehilfskräfte nach dem Gebäudereinigungstarif zu bezahlen. Zudem müsse alles getan werden, um die Klinik fürs Pflegepersonal attraktiver zu machen.

Der Landrat sprach dagegen von einer normalen, unspektakulären Situation. Zur Versachlichung der Diskussion sagte er einen Faktencheck zu. Dazu sollen Daten zur Personalausstattung, zur Bezahlung und zur Arbeitsbelastung im Vergleich mit anderen Kliniken vorgelegt werden.

Der ärztliche Direktor der Kreisklinik, Rolf Eissele, bezeichnete am Freitag auf SZ-Anfrage den Pflegenotstand als das Thema der nächsten Jahre. Wegen der geforderten hohen Leistungen und der im Vergleich dazu schlechten Bezahlung sei der Beruf nicht mehr attraktiv. Deshalb seien auch freie Stellen nicht mehr zu besetzen, deshalb würden sich schon jetzt die Kliniken Fachschwestern abwerben.

Den Kommunalpolitikern wirft Eissele vor, mit den gleichen Methoden wie bei Privatkliniken zu wirtschaften. Die Brucker Klinik gehöre zu den wenigen, die seit zehn Jahren keine Defizite mehr aufweise und zudem die notwendigen Investitionen mit Überschüssen in Millionenhöhe selbst finanzieren müsse. Auch das sei nicht üblich. Zudem fließe noch jährlich eine Pacht in einem sechsstelligen Bereich an die Landkreiskasse, auch das sei wohl einmalig. So rigoros zu wirtschaften sei eine Forderung des Landkreises als Klinikträger gewesen.

Herbert Kränzlein (SPD) appellierte in der Kreistagssitzung an Karmasin, sich mehr um das Kommunalunternehmen Klinik zu kümmern. Es müsse alles getan werden, um über das Anwerben von Personal im Ausland, die Beschaffung von Wohnraum und eine Pflegeschule die offenen Stellen zu besetzen. Geschehe das nicht, würden die Patienten schlechter behandelt und der Pflegenotstand nehme noch zu. Da der Landkreis als Arbeitgeber zudem eine Vorbildfunktion habe, sei es auch aus moralisch-ethischen Gründen erforderlich, darüber zu debattieren, wie der Landkreis sein Pflegepersonal behandle und bezahle.

Dieser Darstellung widersprach der Landrat. Er bat, bei der Wahrheit zu bleiben. Beim Pflegenotstand handle es sich um ein bundesweites, kein spezifisches Brucker Problem. In Bruck gebe es auch keine besondere Entwicklung des Mangels an Fachkräften. Deshalb sei auch nichts versäumt worden. Da keine indischen Kräfte ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt würden, könne man auch nicht von "Lohndumping" sprechen.

Klinikvorstand Stefan Bauer bestritt, dass die in einem Tochterunternehmen angestellten Pflegehilfskräfte, wie von Kritikern behauptet, nach dem Tarif der Gebäudereiniger entlohnt würden. Die Schließung von Stationen bezeichnete Karmasin als normalen, nicht berichtenswerten Vorgang einer Unternehmensleitung. Bei Personalengpässen sei es das Ziel jeder Unternehmensführung, den Betrieb aufrechtzuerhalten und wirtschaftlich zu arbeiten. Werde eine Station geschlossen, sei das ein derart alltäglicher Vorgang, dass es nicht der Rede wert sei.

Zu seinem Amtsantritt 1996 habe die Klinik dem Landkreis noch Defizite beschert, sagte Bauer, dafür habe es beispielsweise Antritts- und Umkleideprämien für Schwestern gegeben. Über die hierfür erforderlichen "Milliönchen" verfüge er nicht. Darauf reagierte Kränzlein mit dem Vorwurf, Karmasin banalisiere den Notstand. Dazu komme ein für die Region typisches Problem: die höheren Lebenskosten. Dafür sei die Entlohnung zu gering.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2011
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