Süddeutsche Zeitung

Gesundheitsversorgung:Transparenter Bau, offene Büros

Menschen mit psychischen Erkrankungen wurden früher eingeschlossen. Das Isar-Amper-Klinikum in Fürstenfeldbruck geht einen anderen Weg. FDP-Bezirksräte verschaffen sich einen Eindruck von der Einrichtung.

Von Adriana Wehrens, Fürstenfeldbruck

Das Personal begrüßt die Besucher an der Rezeption im Eingangsbereich. Ein paar Schritte weiter betritt man helle Flure und erblickt offene Türen. Durch die großen Fenster kann man den Bewohnern beim Tischtennisspielen im Garten zusehen. Man könnte fast meinen, es handele sich um eine Jugendherberge oder Ferienwohnung - aber eben nur fast. Denn auch eine Ambulanz sowie Praxisräume für Ärzte sind Teil des Gebäudes. Das alles gehört zum Konzept der kbo-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Fürstenfeldbruck, die 2016 in Betrieb genommen worden ist. Die Mitglieder der FDP-Fraktion aus dem Bezirkstag legten im Rahmen eines Besuchs im Landkreis unter anderem einen Stopp an diesem Ort ein. "Es liegt uns am Herzen, nachzusehen, wie es beim kbo in verschiedenen Bereichen läuft", betonte Peter Münster (FPD), amtierender Bürgermeister von Eichenau.

Nicolay Marstrander, Chefarzt des Klinikums, machte mit den Politikern einen Rundgang durch die Einrichtung. In einer Präsentation zeigte er die Strukturen und die Gedanken auf, die hinter dem Konzept stehen. Wie bei der Anreise aufgefallen ist, liegt die Einrichtung mitten in einem Wohngebiet. Zum Teil besteht nur ein zehn Meter großer Abstand zum Nachbarhaus. Dies stellt eine von vielen Schnittstellen dar, wo psychisch Erkrankte auf die Gesellschaft treffen. "Es ist unsere Aufgabe, die Thematik für die Öffentlichkeit transparent zu machen", erklärte Marstrander. "Das gehört zur Integration von Menschen mit psychischen Krankheiten dazu." Zu den weiteren Versuchen, das Haus für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, zählt die Eröffnung einer Cafeteria. Zudem finden Veranstaltungen im Gebäude statt und es gibt Ausstellungen von Bildern, welche die Patienten gemalt haben.

Es ist Teil des Konzepts der Einrichtung, dass die Bereiche im Haus nach einem syndromalen System angeordnet sind, das heißt Erkrankte mit ähnlichen Symptomen bewohnen die gleiche Behandlungseinheit - hier wird bewusst auf den Begriff Station verzichtet. Ein weiteres wichtiges Element besteht darin, dass die Patienten während ihres Aufenthalts stets die gleiche Einheit bewohnen und nicht wechseln. Dies dient als Grundlage, um Beziehungen zwischen Ärzten beziehungsweise Pflegekräften und den Erkrankten aufrechtzuerhalten und zu fördern. Dies soll beiden Seiten zugutekommen und den Pflegern zusätzliche Motivation verleihen, da Entwicklungsprozesse vollständig mitverfolgt werden können. Darüber hinaus gibt es eine duale Leitung aus Ärzten, Stationsleitern und Pflegekräften, die Verantwortung gegenüber den Patienten übernehmen sollen. Dies garantiere zum einen die Wertschätzung für die Arbeit jedes Helfenden als auch die Integration der Pfleger, so Marstrander. "Das Zauberwort ist hier multiprofessionelles Team."

Das Gebäude ist in vier Bereiche eingeteilt: die Akuteinheit Krise (Persönlichkeitsstörungen, Trauma, Depression), Psychose und Bipolar, Sucht und Psychiatrie, und Geronto für Erkrankte über 65 Jahren. Bei der Architektur wurde bewusst darauf geachtet, auf Milchglasfenster zu verzichten und viel Licht in die Einrichtung zu lassen. Aus diesem Grund sollen die Türen weitgehend geöffnet bleiben. Jede Einheit kann etwa 22 Bewohner beherbergen. Dort ist es jeweils möglich, einen Bereich vom Rest zu isolieren, um schwierige Fälle unterzubringen. Es gibt keine Zäune um das Gebäude herum und die Türen zu den Büros der Angestellten stehen die meiste Zeit offen, wie sich bei der Besichtigung herausstellte. Dies stellt einen klaren Vertrauensbeweis gegenüber den Patienten dar.

Daneben sei besonders die Transparenz in den Beziehungen mit den Bewohnern wichtig, erläuterte Marstrander. Man achte stets darauf, klare Regeln zu vermitteln und Zwang weitestgehend zu unterlassen. Diese Umgangsweise sei bisher gut von den Patienten angenommen worden. Im Vergleich zu anderen Kliniken habe die Einrichtung eine deutlich geringere Anzahl an Übergriffen und Fixierungen zu verzeichnen.

Nach dem Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai kam an diesem Termin erneut das Thema Pflegekräftemangel auf. Vor dem Problem steht auch das Isar-Amper-Klinikum, das stets ausgelastet ist und volle Wartelisten zu verzeichnen hat. Der Oberarzt wies vor allem darauf hin, dass Pflegekräfte mehr Wertschätzung erhalten müssen. Dies sei eine wichtige Grundlage dafür, diese Art von Arbeit attraktiver für eine größere Personengruppe zu machen. Zudem seien Wohnungen für Pfleger immer schwerer zu finden, da neben München ebenso die Preise rund um Fürstenfeldbruck weiter ansteigen, fügte Nina Tantarn von der Pflegedienstleitung hinzu. Das größte Problem sei jedoch das Fallpauschalensystem hinsichtlich der Bezahlung in der Psychiatrie. Marstrander forderte, dass gerade diese Thematik in Zukunft diskutiert werden müsse. Die FDP-Politiker zeigten sich gegenüber den Wünschen hilfsbereit und kündigten an, in Zukunft weitere Gespräche dazu führen zu wollen.

Weitere Stationen der FDP-Fraktion waren der Besuch der Teehalle des Pfefferminz-Vereins in Eichenau, welche mit den Mitteln des Bezirks finanziert worden ist. Des Weiteren fand im Bürgerhaus eine Diskussion mit dem FDP-Ortsverband statt. Thema waren der Bezirk und seine Aufgaben.

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