Fürstenfeldbruck:Pflanzen, gießen, ernten, essen

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Kinder der Brucker Mittelschulen betätigen sich bei "Uni unter Glas" als Gemüsegärtner. Die monatelange Arbeit rechnet sich: Tomaten, Gurken und Salat schmecken um Längen besser als die aus dem Regal des Discounters

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Das kümmerliche grüne Ei wird mal groß, rot und saftig. Und wenn die Tomate geerntet werden kann, dann schmeckt sie ausgezeichnet. Das weiß Hamza längst. Auch deshalb, weil er jemand ist, der den buchstäblichen grünen Daumen hat und zuhause in den Blumenkästen auf dem Balkon einschlägige Erfahrung gesammelt hat. Der Elfjährige aus der Schule Nord gehört zu der Gruppe der insgesamt 16 Hobbygärtner, die sich an dem Projekt "Uni unter Glas" auf dem Gelände der Kester-Haeusler-Stiftung beteiligt haben.

Hamza, 11, aus der Schule Nord prüft die Tomatenstauden. (Foto: Stefan Salger/oh)

In den beiden historischen Gewächshäusern stand dabei buchstäblich die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt im Blickpunkt: So wurden bevorzugt alte Gemüsesorten aufgezogen, beim Wachsen beobachtet, gehegt und gepflegt, geerntet und schließlich gegessen. Es war das dritte und vorerst letzte Jahr dieses Kooperationsprojekts der Offenen Ganztagesschulen Nord und West mit Kester-Haeusler-Stiftung, Bürgerpavillon, städtischem Jugendreferat sowie dem Agenda-21-Büro des Landratsamts.

Der Fortgang des Projekts ist mit vielen Fotos und Texten dokumentiert, die bei der Abschlussfeier zu sehen sind. (Foto: Stefan Salger/oh)

Viele Fünftklässler nehmen das Angebot an. Der eine oder andere kennt Gurken oder Tomaten nur aus dem Supermarktregal. Aber "live" dabei zu sein, wenn aus winzigen Samen schmackhafte Lebensmittel werden, das ist schon spannend. Spannend ist es auch für die Betreuer der Fünftklässler: Barbara Schiele, Verena Stoll, Michaela Bock, die städtische Projektkoordinatorin Katharina Weyer und Umweltbiologin Julia Traxel begleiten die Kinder seit Oktober. Begonnen hat das Projekt mit dem Schnitzen von Kürbissen, der Herstellung von Vogelfutter, dem Kochen einer Kürbissuppe, dem Bau eines Insektenhotels und dem Besuch eines Imkers in Eichenau. So richtig zur Sache ging es dann im Februar. In der Schule wurden Samen vorgezogen und von März an die kleinen Pflänzchen dann in den beiden Gewächshäusern mitten im Kester-Haeusler-Park eingesetzt. Die Schüler kamen regelmäßig vorbei, schauten nach dem Rechten und gossen - es ist ein Teil des Projekts, dass sie hier nicht nur passiv zusehen, sondern selbst angreifen und Verantwortung übernehmen. Gerade dieser Umstand ist auch Karin Wolfrum von der Stiftung sehr wichtig. "Es ist alles wunderbar gelaufen, auch in den Schulferien", sagt sie bei der kleinen Abschlussfeier im Park.

In den historischen Gewächshäusern werden vor allem alte Gemüsesorten angepflanzt. (Foto: Stefan Salger/oh)

So sieht das auch Richard Bartels von Slow Food, der an diesem Tag selbst hergestellten Pfefferminztee ausschenkt und einen ganzen Korb voller Gemüse mitgebracht hat, die auf dem Fürstenacker vor den Toren der Stadt herangereift sind - darunter auch Rote Rüben, Gurken, Kohlrabi, Kesselheimer Zuckererbsen und die Trockenbohnensorte Ahrthaler-Köksje. Solche samenfesten Sorten gelte es zu erhalten, sagt Bartels. Sonst gibt es irgendwann mal nur noch die fad schmeckende, aber kostengünstig produzierte Einheitskost aus dem Discounterregal. Dass Selbstgezogenes viel besser schmeckt, hat längst auch Hamzas Familie erkannt: "Ich habe auf dem Beet des Abenteuerspielplatzes Lauchzwiebeln, Tomaten und Gurken gezogen. Und vom Kohlrabi war meine Mama total begeistert". Chemie ist da natürlich tabu. Bartels würde sich wünschen, dass es viel mehr Kinder wie den Elfjährigen aus der Schule Nord geben würde. Oder wie Nellija, 12, die ebenfalls ein- bis zweimal die Woche für jeweils eine Stunde im Park und in den Gewächshäusern verbracht hat. Auch sie hat familiäre Vorerfahrung zu Hause beim Pflanzen, Unkraut jäten und Ernten im Garten. Eins ist natürlich auch klar: "Das hier macht auf alle Fälle mehr Spaß als Schule."

Vielleicht ist es ja auch schöner als Kindergarten. Denn das Schulprojekt ist nun zwar zu Ende - es könnte aber eine Neuauflage mit Kindergartenkindern geben. Karin Wolfrum könnte sich ein solches Kooperationsprojekt mit Stadt, Agendabüro und natürlich mit Richard Bartels gut vorstellen. Denn wie ließen sich die Zusammenhänge des Lebens, das Wachsen und Werden und die Wertigkeit qualitativ guter Lebensmittel besser verdeutlichen als auf einem Beet oder in einem Gewächshaus?

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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