Fürstenfeldbruck:Perle im Dornröschenschlaf

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Unter einem prächtigen Deckenstuck: Die Teilnehmer der Führung am Tag des offenen Denkmals besichtigen das Torhaus in Fürstenfeld. (Foto: Günther Reger)

Bei der Führung durch das frühbarocke Torhaus herrscht ein großer Besucherandrang

Von Sonja Pawlowa, Fürstenfeldbruck

Viele waren am Sonntagnachmittag gekommen, um sich durch das Torhaus führen zu lassen. Zu viele, denn nur 20 Personen durften ins Gebäude. Eine mögliche Unfallgefahr durch Löcher im Boden, sowie die Enge des Treppenaufgangs und der Räume waren der Grund. Jene, die sich nicht vorab für die Führung angemeldet hatten, wurden auf eine zweite Besichtigungsrunde um 16 Uhr vertröstet.

Begleitet wurde die Kreisheimatpflegerin Susanne Poller vom Brucker Kulturreferenten Klaus Wollenberg, dem die Renovierung des Torhauses sehr am Herzen liegt. Die von Oliver Lindauer 2014 durchgeführte historische und Befunddokumentation ist abgeschlossen. Verbleibt noch für den Stadtrat, eine Entscheidung darüber zu treffen, was mit dem Torhaus geschehen soll. Der Konzeptplanung für eine kommerzielle Nutzung steht nichts mehr im Wege. Dann könne man endlich das letzte unsanierte Prachtstück des Klosters wieder "prächtig machen".

Das Torhaus wurde 1698 noch vor der Klosterkirche nach den Plänen von Viscardi umgebaut. Heute liegt der Zugang in das Treppenhaus an der Hinterseite des Gebäudes, damals jedoch befand sich der sicherlich prächtigere Eingang in der Durchfahrt, so dass die erlauchten Gäste beim Aussteigen nicht nass wurden. Das Torhaus hatte damals die Funktion einer Pforte für die weltlichen Besucher und es diente auch der Unterbringung von besser gestellten Besuchern des Klosters wie etwa den Eltern der adligen Klosterschüler. Daher rührt vielleicht der zweite Name des Torhauses, "Schlössl" oder Fürstenbau.

Von einem Schloss kann man derzeit noch nicht sprechen. Die Treppe wirkt sehr rustikal, in den drei Sälen im ersten Obergeschoss erinnern nur noch die originalen Türen und der kunstvolle, aber überweißelte Deckenstuck an die einstige Pracht. Denkt man sich die 1970er Jahre Büroleuchten und die Nachtspeicheröfen weg, macht sich in den großzügigen und hohen Räumen sofort ein Palast-Feeling breit, das durch die Aussicht auf die übermächtige Kirche gegenüber gleich wieder in Schranken verwiesen wird. An die 40 Quadratmeter groß sind die Zimmer, wie Säle. Mit einer Ausnahme: Das versteckte Abortzimmerchen.

Der zweite Stock ist schlichter gehalten, denn die einst womöglich vorhandenen Stuckdecken fielen schon 1793 dem Dachstuhlaustausch zum Opfer. Bis vor wenigen Jahren lebten hier noch ehemalige Mitarbeiter des Wittelsbacher Ausgleichfonds, die ein lebenslanges Wohnrecht im Torhaus in Anspruch nehmen konnten. Überhaupt wurde seit der Säkularisation das Torhaus für die Verwaltung oder als Wohnraum genutzt. Zuletzt befand sich im ersten Stock des Torhauses die Museumsverwaltung.

1850 wurde der pompöse Glockenturm eingerissen, im Dachstuhl sind die ausgetauschten Balken und die holzsparende Bauweise der späteren Zeit deutlich sichtbar. Der Dachstuhl kann wegen seiner geringen Stehhöhe von nur 1,60 Metern nicht ausgebaut oder genutzt werden. Das scheint aus baudenkmalpflegerischer Sicht ein Vorteil zu sein, denn die verschwenderisch verbauten Holzbalken sind nicht nur Respekt einflößend, sondern verbergen auch Zeugnisse der Erbauerzeit wie beispielsweise eine Bleistiftbeschriftung durch den Zimmermeister Philip Wagner von Biburg aus dem Jahr 1795.

Wie bei Steinmetzen tragen auch die Holzbalken Abbundzeichen, Einkerbungen, die ihren Standort in der Gesamtkonstruktion ausweisen. Der gesamte Dachstuhl wurde nämlich zunächst beim Zimmermeister zu Hause aufgebaut. Alles musste perfekt passen - Stichsägen gab es noch nicht, man arbeitete mit Holznägeln.

Als spektakulärster Gast war zur Besichtigung Frau Gettert, geb. Wörlsinger, erschienen, die im "Schlössl" aufgewachsen war. Ihr Großvater hatte die Drei-Zimmer-Wohnung vom Ausgleichsfond für nur 20 Mark gemietet. Die Familie blieb glückliche über Jahrzehnte hinweg im Schlössl. Ein einzigartiges Beispiel von sozialem Wohnungswesen, fast wie die Fuggerei in Augsburg.

© SZ vom 12.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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