Er war mit der Erfahrenste in der israelischen Olympiamannschaft von 1972. Seine fünften Olympischen Spiele sollten es in München werden, doch Yakov Springer erlebte ihr Ende nicht mehr. Er wurde am 5. September in Fürstenfeldbruck von palästinensischen Terroristen ermordet. Springer ist eines von zwölf Opfern, derer in diesem Jahr in dem Projekt "Zwölf Monate - zwölf Namen" gedacht wird. In diesem Monat befassen sich sowohl das Stadtmuseum München in einer bis 30. November dauernden Ausstellung als auch das Graf-Rasso-Gymnasium (GRG) mit der Biografie des Sportlers, Trainers und Kampfrichters. Am Dienstag fand die Präsentation des W-Seminars statt, an der auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, teilnahm. Sie, weitere Ehrengäste sowie Schülerinnen und Schüler der Oberstufe erlebten zwei Unterrichtsstunden lang eine würdige und fachlich fundierte Gedenkveranstaltung.
Wie nähern sich junge Menschen einem Thema, über das deren Großväter erzählen? Was braucht es, um sich für die Biografie eines Menschen zu interessieren, der lange - und 50 Jahre sind für Jugendliche eine lange Zeit - schon nicht mehr lebt? Sicherlich ein ausgeprägtes Begeisterungsvermögen für ein solches Projekt, das in diesem Schuljahr nicht allein steht, sondern eingebunden ist in einen größeren Zusammenhang mit außerschulischen Mitwirkenden, wie etwa der Staatsakt am 5. September dieses Jahres auf dem Fliegerhorst.
Die mitwirkenden Schülerinnen und Schüler bereiteten zusammen mit ihrem Lehrer Wolfgang Seufert die Idee der heiteren Spiele von München, den Überfall auf die israelischen Mannschaft und die fatalen Folgen in Fürstenfeldbruck sowie die Biografie Yakov Springers für ihre Mitschüler eingängig auf und präsentierten ihre Ergebnisse mit musikalischer Begleitung. Ziel war es, im wissenschaftspropädeutischen Seminar (W-Seminar) sich mit wissenschaftlichen Methoden dem gestellten Thema zu nähern, es auszuarbeiten und zu präsentieren. Das ist sehr gut gelungen, es wurden alle wichtigen Aspekte von Olympia 1972 und des Attentats beleuchtet und Yakov Springer als eines der Opfer besonders hervorgehoben.
Springer, dessen in Bayern lebender Enkel ein Grußwort für die Veranstaltung ans Gymnasium sandte und sich für das schulische Engagement bedankte, wurde 1921 in Polen geboren, floh mit 18 Jahren aus einem Ghetto in die Sowjetunion, kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg in seine Heimat zurück und arbeitete nach seinem Sportstudium im polnischen Ministerium für Sport. Unter zunehmendem Antisemitismus in Polen leidend, entschloss er sich, 1957 zusammen mit seiner Familie nach Israel auszuwandern. Dort etablierte er, wie die Schüler darstellten, das Gewichtheben als Wettkampfsport und baute in der Folge als Trainer viele Sportler in dieser Disziplin auf. Die Olympischen Spiele in Tokio, an denen er als Trainer der israelischen Nationalmannschaft 1964 teilnahm, waren bereits seine dritten. Zuvor war er mit der polnischen Mannschaft bereits 1952 in Helsinki und 1956 in Melbourne gewesen. Auch 1968 war er in Mexiko dabei und 1972 als Kampfrichter in München. Springer hätte wie andere Kampfrichter auch in einem Hotel außerhalb des olympischen Dorfes wohnen können. Doch der 51-Jährige wollte bei seiner Mannschaft bleiben und wählte die Unterkunft nahe der Wettkampfstätten - und nahe bei seiner Mannschaft. Die Schülerinnen und Schüler zeichnen ein Bild des Mannes, der für den Sport lebte und dessen Trainerkompetenz und Urteilsvermögen hoch eingeschätzt wurden.
Am elften Tag der Spiele nahmen ihn Mitglieder der Terrorgruppe Schwarzer September in München als Geisel, verschleppten Springer und zehn weitere Männer nach Fürstenfeldbruck, wo alle israelischen Geiseln von den Terroristen ermordet wurden und ein bayerischer Polizeibeamter starb. Wie damals die heiteren Spiele endeten, das können sich die Gymnasiasten in ihrer Schule derzeit auch in einer Ausstellung des Landratsamtes ansehen, die normalerweise im noch nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen alten Tower des aufgelassenen Flugplatzes verwahrt wird. Immerhin, und das wird seit September auch beworben, ermöglicht eine App, sich mit den Geschehnissen von damals näher zu befassen. Der digitale Erinnerungsort entstand, um die Zeit bis zur Eröffnung eines realen Erinnerungsortes am Flugplatz zu überbrücken.
Charlotte Knobloch würdigte in ihrer Ansprache in Fürstenfeldbruck ein weiteres Mal das Engagement des Landkreises und insbesondere von Landrat Thomas Karmasin (CSU), die Erinnerung an die Opfer des Attentats wachzuhalten. Auch das Erinnerungsprojekt in diesem Jahr lebe von diesem Einsatz: "Ich bin gekommen, um zu danken", sagte die IKG-Präsidentin. Die Tragödie von 1972 sei nur zu fassen, wenn man sich mit den Menschen befasse, so wie es das Graf-Rasso-Gymnasium tue. Dass dies durchaus nicht abstrakt ist, versuchte Philipp Raths, stellvertretender Direktor des GRG, zu verdeutlichen. Er schilderte seine Erinnerung als Elfjähriger an die Spiele von München und ihr schreckliches Ende so: "Das hat sich im Kopf festgesetzt und wird ihn nie wieder verlassen."