Olympia 1972:Die Prestige-Show

Olympia 1972: Bunte Farben, klare Formen bei den Olympischen Spielen 1972

Bunte Farben, klare Formen bei den Olympischen Spielen 1972

(Foto: Archiv Museum FFB / oh)

Die Olympischen Spiele in München veränderten die Region, die endgültig zur Vorstadt wurde, und sie dienten dem Zweck, die Erinnerung an die NS-Zeit zu verdrängen.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Im Museum Fürstenfeldbruck wird derzeit eine Ausstellung gezeigt, die sich den Olympischen Spielen in München 1972 widmet. Dazu haben die Museumsleiterinnen einen Katalog veröffentlicht, der aus mehreren Aufsätzen besteht und zahlreiche Abbildungen enthält. Neben Beispielen für das Design der Spiele, das Otl Aicher entwarf, sind Fotos von Einwohnern aus dem Landkreis enthalten, etwa ein Foto des späteren Egenhofener Bürgermeisters Josef Nefele in einem jener hellblauen Uniform, die extra für die Münchner Polizei entworfen worden war.

Olympia 1972: Das neue Bruck im Westen als Ansichtskartenmotiv vor 50 Jahren.

Das neue Bruck im Westen als Ansichtskartenmotiv vor 50 Jahren.

(Foto: Archiv Museum FFB)

Die Aufsätze sind allesamt informativ, gut geschrieben und umfassen sämtliche Aspekte: Die Intentionen der Politiker und Funktionäre, die eine "Superschau für das Prestige" sehen wollten, die gigantischen Werbemaßnahmen und die kommerzielle Vermarktung, allein 200 verschiedene Souvenirs wurden entworfen, sowie die Auswirkungen auf das Brucker Land, das endgültig zur Boomregion wurde, die Eröffnung des S-Bahn-Betriebes, die vielfältige Beteiligung des Landkreises und seiner Einwohner an der Vorbereitung und Durchführung. Das Attentat palästinensischer Terroristen wird aufgearbeitet, ergänzt um Informationen zu den Opfern und einem Verweis auf das Gedenken.

Olympia 1972: Aus der Dackelzucht in Maisach stammt das Vorbild für "Waldi".

Aus der Dackelzucht in Maisach stammt das Vorbild für "Waldi".

(Foto: Wolfgang Pulfer)

Nachzulesen ist, woher das Vorbild für das Maskottchen Waldi stammt, aus einer Maisacher Hundezucht nämlich, dass in Bruck die Schaufenster dekoriert waren und das olympische Symbol aus Pappe oder Plastik über Sandalen und Wurst schwebte. Die Reiterspiele sollten ursprünglich sogar in der Stadt abgehalten werden, was sich angesichts der schlechten Finanzlage der Kommune zerschlug.

Erinnert wird an das Jugendcamp der Eisenbahnergewerkschaft auf dem Volksfestplatz mit 900 Teilnehmern aus vielen Ländern, dass der Fliegerhorst vier Wochen lang von Chartermaschinen angesteuert wurde oder an die acht Kilometer lange Etappe des Fackellaufes durch den Landkreis.

Olympia 1972: In hellem Blau sind die Uniformen der bayerischen Polizei gehalten.

In hellem Blau sind die Uniformen der bayerischen Polizei gehalten.

(Foto: Archiv Museum FFB)

Lobenswert ist, dass die Autorinnen an den Protest gegen die Spiele in einem eigene Kapitel erinnern. Die bürgerlich-konservative Opposition fürchtete um das Stadtbild, die Linke prangerte die allgemeine Verlogenheit und den Leistungsdruck an. 1968 formierte sich ein Komitee zur Verhinderung der Olympischen Spiele und ein Anti-Olympia-Komitee, das Sandburgenbauen, Weitspucken und Kopfwiegen als Disziplinen vorschlug. Sogar an der Katholischen Akademie in Tutzing wurden bei einer Veranstaltung der Leistungsdruck und die Illusion einer harmonischen intakten Welt gerügt, die mit dem Megaevent einhergingen. Ausführlich wird der Protest der Studierenden und Dozenten von der Münchner Kunstakademie gewürdigt und ihre Kunstwerke, die "verbesserte Olympiaedition" etwa, die an den Krieg in Vietnam erinnerte.

Die Uniform der Polizisten waren Teil einer ästhetischen Strategie, mit der deutsche Politiker ein bestimmtes Ziel verfolgten, Werbung für ein anderes Deutschland zu machen, ein weltoffenes demokratisches Land, im Gegensatz zur NS-Diktatur, das die Olympiade von 1936 ausgerichtet hatte. Also sollten Polizisten nicht wie Polizisten aussehen. Die hellblaue Uniform suggerierte eher einen Touristenführer.

Dass der Linkskatholik Aicher sich für diese Show hergab, wirft kein gutes Licht auf ihn, da mögen die Piktogramme und Schilder noch so übersichtlich gewesen sein. Seine Abneigung gegen die Farbe rot als "Farbe der Diktaturen" beinhaltet die falsche Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus und diffamiert die ganze Arbeiterbewegung.

Die Aufsätze belegen an vielen Stellen den politischen Charakter der Spiele hinter der betont unpolitischen Fassade, wobei die Bewertung mitunter zu zahm ausfällt. "Paradoxerweise bezogen die Veranstalter gerade in dem betont Unpolitisch-Sein-Wollen eine deutliche politische Position", schreibt Verena Beaucamp. Von Paradox kann keine Rede sein, es ging darum, Nazi-Deutschland vergessen zu machen, in einem Land, in dem in so vielen Bereichen alte Nazis immer noch die Fäden zogen. Zu Recht schreiben Beaucamp und Barbara Kink, dass die Fortsetzung der Spiele nach dem Attentat "das bewährte Muster einer lang erprobten Verdrängungsleistung" zeigte. Auch das war eine politische Entscheidung. Vor allem der IOC-Präsidenten Avery Brundage beharrte auf der Fortsetzung nach dem Judenmord, wogegen sich durchaus Protest erhob. Seine Abwehr eines Boykotts der Spiele von 1936 hätte genannt werden dürfen.

Barbara Kink / Verena Beaucamp (Hg.), Olympia 1972, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, 127 Seiten, 9,80 Euro.

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