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Der 19. November ist Welttoilettentag. Eine gute Gelegenheit, das WC von Reinigungskraft, Rohrreiniger und Sanitärverkäuferin einordnen zu lassen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Es ist ein Ort, der gerne verniedlicht wird als Örtchen. Ein Ort, der zwar selten der Andacht im strengen Sinne dient, an dem man sich eine Zeitlang in aller Ruhe aber anspruchsvoller Literatur widmen kann. Ein Ort, an dem zwar alle Menschen gleich sind, der aber nicht allen Menschen im gleichen Maße zur Verfügung steht: 40 Prozent der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu einer Toilette. Mit Blick auf die Ausbreitung von Krankheiten ein ernsthaftes Problem - und Grund für die UN-Generalversammlung, den 19. November jedes Jahr zum offiziellen Welttoilettentag auszurufen.

Fürstenfeldbruck: Weiße Kacheln, vandalensichere Edelstahlarmaturen - und als Zugabe ein paar flotte Sprüche neben der Klorolle: Die öffentliche Toilette am Brucker S-Bahnhof.

Weiße Kacheln, vandalensichere Edelstahlarmaturen - und als Zugabe ein paar flotte Sprüche neben der Klorolle: Die öffentliche Toilette am Brucker S-Bahnhof.

(Foto: Stefan Salger)

Das ist sinnvoll, ist doch der stille Ort so etwas wie ein Tabuthema, über das auch im Landkreis Fürstenfeldbruck gerne hinweggegangen wird. Dabei herrschen hier fast schon paradiesisch anmutende Zustände: Eine Grundversorgung mit Wasserklosetts, auch unter den Pseudonymen WC oder 00 bekannt, ist gesichert. Sogar auf Baustellen werden Dixi-Klos aufgestellt. Kein Open-Air, kein Volksfest ohne Toilettenwagen. Städte und Gemeinden richten barrierefreie öffentliche Toiletten ein, so wie in Bruck an Bahnhof und Viehmarktplatz. In Gaststätten, Schulen oder Veranstaltungszentren sind sie Pflicht. Bisweilen freilich wird mit ihnen nicht besonders pfleglich umgegangen.

Fürstenfeldbruck: Das Designermodell "Hidra" von Susanne Konopek ist der Alfa Romeo unter den Toiletten.

Das Designermodell "Hidra" von Susanne Konopek ist der Alfa Romeo unter den Toiletten.

(Foto: Stefan Salger)

Diesen Eindruck bestätigt Wilfried Frankenstein, Mitinhaber der Reinigungsfirma Picobello aus Mittelstetten. Seine 15 Mitarbeiter kümmern sich um Privathäuser, aber auch Gewerbebauten und Unterkünfte mit gemeinschaftlich genutzten Sanitäranlagen. Sie desinfizieren, bringen die Bäder auf Vordermann - und erleben in der täglichen Praxis, dass Schilder mit Aufschriften wie "Verlassen Sie diesen Ort bitte so, wie Sie ihn vorfinden wollen" oder witzige Cartoons über den richtigen Gebrauch der Klobürste wenig bewirken. "Das sind halt fromme Wünsche", sagt Frankenstein. Nicht selten sind Probleme unterschiedlichen Gewohnheiten geschuldet. So sind vor allem in vielen südlichen Ländern Stehklos üblich, die aus hygienischer Sicht ja Vorteile bieten. Frankensteins Mitarbeiter berichten mittlerweile häufiger, dass mal wieder jemand auf die Kloschüssel gestiegen sei. Zudem werden da Dinge hineingeworfen, die ganz gewiss nicht hineingehören. Blumenerde etwa oder Mülltüten oder das Mittagessen vom Vortag oder Windeln oder zwei tote Wellensittiche. In solchen Fällen klingelt dann das Telefon von Claudia Rimbach. Sie kennt dieses Geschäft seit 27 Jahren. Rund um die Uhr ist sie erreichbar, etwa einmal die Woche geht so ein Notruf ein. Oft melden sind ältere Menschen am anderen Ende. Dann macht sich einer der Fürstenfeldbrucker Rohrreiniger auf den Weg. Der findet nicht selten überschwemmte Wohnungen vor und muss erst mal die Kloschüssel abmontieren. Sofern die Verstopfung nicht bis zur Grundleitung reicht, lässt sie sich mit der Motorspirale lösen. Manchmal ist statt der großen Keule Feingefühl gefragt. So wie im Fall der Frau, die vor vier Jahren eines Morgens ganz geschockt berichtete, ihr sei die Goldkette in die Toilette gefallen und sie habe unglückseligerweise auch noch heruntergespült. Einem Mitarbeiter von Claudia Rimbach gelang in dem Brucker Mehrfamilienhaus das Unmögliche: Er tauchte das Schmuckstück buchstäblich wieder heraus. Dass es nicht ganz verschwunden war, dürfte an den Kalkablagerungen liegen, die sich über die Jahre in Abwasserleitungen bilden. Daran bleiben Ringe oder Ketten schon mal kurzzeitig hängen. Davon, solche Kalkablagerungen mit chemischen Mitteln zu beseitigen, rät Rimbach übrigens ab. Bei unsachgemäßer Verwendung werden die "hart wie Beton". Ebenso eindringlich rät die Expertin davon ab, Feuchttücher in die Toilette zu werfen. "Manche meinen, dass sich die ja auflösen und bedenken nicht, dass sie erst mal durch die Leitung müssen."

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(Foto: Johannes Simon)

Noch schlimmer sind Fotos: Claudia Rimbach erinnert sich noch gut an diesen skurrilen Einsatz kurz nach der Faschingszeit vor zwei Jahren. Nachdem sich ein Ehepaar ordentlich gezofft hat, will die erzürnte Frau alle Belege der Zweisamkeit herunterspülen. Der Inhalt mehrerer Fotoalben landet in der Toilette. Rien ne va plus - nichts geht mehr: "Die waren bis hinter die 90-Grad-Biegung der Leitung hineingeschoben", erzählt Rimbach. Ansehnlich waren die Bilder nicht mehr, als sie ein Mitarbeiter wieder hervorgeholt hatte. Ob sich das mit dem Ehestreit wieder einrenkte, ist nicht überliefert. Sicher ist, dass die welligen, zerrissenen Fotos am passenderen Ort landeten: im Abfalleimer.

Steht man im Laden von Susanne Konopek, gleich neben dem Hotel Parsberg in Puchheim, dann kann man sich gar nicht vorstellen, dass jemand solche Sachen in die hier ausgestellten Keramikschüsseln stopfen kann. Die Chefin des Sani-Basars macht deutlich, dass auch das stille Örtchen einem Wandel unterliegt und es Fortentwicklungen bei Technik, Design und Materialien gibt. Konopek blättert in Katalogen voller bunter Bilder von Klodeckeln und Klobrillen mit Delfinkonterfei oder Blumenmuster. Irgendwo findet sich wohl auch die Klobrille mit dem in transparenten Kunststoff eingelassenen Stacheldraht und die Zielhilfe-Fliege fürs Urinal. Die Deutschen sind eher konservativ und greifen bei den Keramik-Kloschüsseln lieber zu weißen Modellen. Die immerhin dürfen gerne exklusiv sein und bis zu 500 Euro kosten. Besonders pflegeleicht sind die spülrandlosen Varianten. Und im Schaufenster steht das Modell "Hidra", das die Handschrift eines italienischen Designers trägt und wohl der Alfa Romeo unter den Toiletten sein dürfte. Bella Figura: geschwungene Linien, aufgesetzter Wasserkasten.

Sollten da doch mal Blumenerde oder Fotos reingeraten, muss man das Dilemma zumindest nicht bis zum Eintreffen von Claudia Rimbachs Kollegen mit ansehen: Der Klodeckel schließt sich sanft und automatisch.

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