Fürstenfeldbruck:Noch immer aktuell

Ausstellung Zingerl

In Omnibus 1878 begegnet der Künstler in seinem Ruderboot auf der Amper einem Dampfer voller Toter.

(Foto: Günther Reger)

Kreisstadt zeigt Guido Zingerls Zyklus "Große Amperlandschaft" von 1995

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Der Titel der aktuellen Ausstellung im Brucker Rathaus führt den Besucher zuerst einmal in die Irre. "Große Amperlandschaft" heißt der Zyklus von 27 Bildern und er lässt an große Ölbilder denken, die die Idylle und Schönheit des Landkreises einfangen - etwa im Emmeringer Hölzl oder den Olchinger Amperauen. Aber weit gefehlt. Schon der Name des Künstlers, Guido Zingerl, lässt erahnen, dass es sich bei den Werken um Zeichnungen handelt, die eben nicht das Schöne, sondern vielmehr die hässlichen Seiten des Landkreises, in diesem Fall der Landkreisgeschichte, abbilden.

Die Stadt hat Zyklus 1995 direkt nach seiner Entstehung erworben. Guido Zingerl, der auch Karikaturist des Brucker Lokalteils der Süddeutschen Zeitung ist, hatte damals gesagt, er hoffe, dass die Zeichnungen dauerhaft öffentlich zu sehen sind. Dazu ist es natürlich nicht gekommen, aber immerhin haben die Besucher nun bis zum 31. Januar 2016 die Möglichkeit, die Werke in einem Gang des Rathauses mal wieder zu betrachten.

Die Szenen, die Zingerl gezeichnet hat, haben alle einen mehr oder weniger wahren historischen Kern und beschäftigen sich vor allem mit Schicksalen der von der Geschichte vergessenen. So wie das Bild "der schwangeren Mechthild G. aus Bruck", die 1941 öffentlich an den Pranger gestellt wird, weil sie mit einem Franzosen verkehrt hat. Die Meute, samt einem NSDAP-Schergen, zeigt mit den Fingern auf die junge Frau. Die Szene erinnert an den kürzlich erschienen Film über das Leben von Georg Elser, in dem genau das gleiche zu sehen ist. Es ist also egal, ob Zingerl einen realen Fall dokumentiert oder nicht. Das Verbrechen ist eines, das während der Nazi-Herrschaft so immer und immer wieder überall zutrug.

Genau so bedrückend sind auch die Momente, die Zingerl aus dem Kriegsgefangenenlager Puchheim und dem KZ Dachau gezeichnet hat. In Dachau lässt er einen internierten gesichtslosen jüdischen Architekten hinter seinem Stacheldrahtgefängnis davon träumen, wie er eine große Kulturhalle in die Landschaft auf der anderen Seite des Straße baut. 16 000 Gefangene im Puchheimer Lager lässt er von Schaulustigen Bürgern mit offenen Mündern begaffen, einer trägt ein Kaiserporträt mit sich. Dazu schreibt Zingerl, dass 1917 die Häftlinge eine größere Attraktion als der Tierpark Hellabrunn sind. Viel über die Nachkriegszeit, nicht nur im Landkreis, erzählt Zingerl, wenn er den "stillen Gärtner Heigl" aus Eichenau zeichnet, der in seinem Garten einen Baum pflanzt und sich dabei auch gerne helfen lässt, der aber nichts über das Konzentrationslager in Dachau erzählen will.

Aber nicht nur die Zeit der Weltkriege beschäftigt den Künstler. Auch viel weiter vergangene Episoden der Geschichte werden erzählt. Etwa wenn ein einfacher römischer Soldat seine wunden Füße bei Landsberied in einer Lache kühlt, während sein Vorgesetzter sich in einer Villa mit keltischen Freudenmädchen vergnügt. Der Geschichte Bayerns und Napoleons widmet Zingerl gleich zwei Zeichnungen. Einmal zeigt er die Bombardierung der Klosterkirche durch die "Säku-Fundis" unter Montgelas und dann den widerstandslosen Durchzug Napoleons durch den Landkreis, bei dem auch ein janusköpfiger Bayer zu sehen ist, der sich gerade noch rechtzeitig für die "richtige" Seite entscheidet.

Um dem Titel des Zyklus gerecht zu werden, hat Guido Zingerl auch drei harmlose Landschaftbilder gezeichnet. Wobei harmlos bei seinen Werken immer ein schwieriges Wort ist, weil selbst eine Winterlandschaft bei Türkenfeld, auf der drei große Krähen zu sehen sind, bei Zingerl immer ein wenig bedrohlich wirkt.

Auch nach 20 Jahren haben die Zeichnungen nichts an Aktualität verloren, die Diskussionskultur und der Umgang mit der Verhangenheit sind ähnlich wie zur Zeit der Entstehung der Werke - das ist die wichtigste Erkenntnis dieser kleinen Ausstellung.

Ausstellung "Große Amperlandschaft" mit Werken von Gudio Zingerl, bis zum 31. Januar während der allgemeinen Öffnungszeiten im Brucker Rathaus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: