Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Neuentdeckung eines Kunstwerks

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Vor dem früheren Gebäude der Landpolizei in Bruck steht hinter Büschen verborgen ein Brunnen des Bildhauers Ernst Andreas Rauch. Die Anlage soll wiederhergestellt und denkmalgeschützt werden

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Vertreter von Polizei, Behörden und Kommunalpolitik feierten Ende Juli 1950 das Richtfest für die neue Polizeistation an der Fürstenfelder Straße in Bruck. Gleichzeitig wurde ein Brunnen enthüllt, den der Bildhauer Ernst Andreas Rauch (1901-1990) geschaffen hatte. Die Anlage aus bläulich-grauem Muschelkalk zeigt eine Schäfergruppe und war umstritten. Regierungsbaurat Lars Landschreiber rechtfertigte das Werk in seiner Ansprache mit dem Hinweis, ein Land müsse seiner künstlerischen Tradition gerecht werden. Heute ist dieses Beispiel von "Kunst am Bau" mit Moos überzogen, Wasser plätschert längst nicht mehr im Brunnen, der mit Erde, Steinen und Laub gefüllt ist, vom Beckenrand sind etliche Brocken abgeplatzt. Von der Straßenseite verwehren Büsche einen Blick auf das Kunstwerk.

Als die Stiftung Kinderhilfe, die die alte Landpolizeistation vor eineinhalb Jahren gekauft hat, Bäume umschneiden und Parkplätze anlegen wollte, griff Klaus Landschreiber ein. Er war als Zwölfjähriger dabei, als sein Vater und der Bildhauer sowie die Honoratioren den Brunnen einweihten. Er fordert, die Anlage zu restaurieren und unter Denkmalschutz zu stellen. Rauch habe immerhin zu den renommierten Bildhauern der Nachkriegszeit gezählt, sagt er.

Rauch gestaltete den Bibliotheksbau des Deutschen Museums und stattete das Müllersche Volksbad aus. Von ihm stammen der Karl-Valentin-Brunnen auf dem Viktualienmarkt, der Radl-Brunnen in der Hackenstraße sowie der Neptunbrunnen im Innenhof des Palais Leuchtenberg am Odeonsplatz. Der Künstler war mit Lars Landschreiber befreundet und besuchte ihn oft in Bruck. Dem Sohn Klaus Landschreiber ist besonders in Erinnerung geblieben, dass Rauch oft mit Ehefrau und Geliebter zusammen anreiste.

In der Mitte des Brucker Brunnens steht ein Schäfer mit seinem Stab, ein Lamm auf dem Arm und den Schäferhund an der Seite. Es vermittele den Eindruck "behüteten Friedens", schrieb die Lokalpresse zur Einweihung. Der gute Hirte steht in der Ikonografie des Abendlandes für Jesus Christus. Zur Wahl eines solchen Motivs fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dürften ambivalente Motive beigetragen haben: Die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden, eine wiederentdeckte Frömmigkeit und die Absicht, das Image der Polizei aufzupolieren, war doch diese Institution an den Massenmorden des Regimes beteiligt. Die Polizeischule nebenan war ein regelrechter Stützpunkt der NSDAP gewesen und hatte sich 1933 demonstrativ zum Regime bekannt, wie Absolventen der Ausbildungsstätte vor vier Jahren recherchierten.

Der Bildhauer Rauch verlor im Zuge der Entnazifizierung seine Professur an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg und war fortan wieder freiberuflich tätig. Dabei war er kein Nazi, sondern ein echter Mitläufer. Bei seiner Entlassung spielten möglicherweise auch Querelen im Kollegenkreis eine Rolle. Rauch war jedenfalls erst 1941 in die NSDAP eingetreten, nachdem ihn der damalige Leiter der Akademie darauf hingewiesen hatte, dass ein solcher Schritt seine Karriere befördern und ihn vor dem Fronteinsatz bewahren würde. Im gleichen Jahr noch wurde Rauch Dozent an der Akademie und verdoppelte nahezu sein Einkommen. 1943 wurde er zum Professor ernannt.

Nach dem Krieg plante die bayerische Polizei in Bruck Neubauten in größerem Stil. Lars Landschreiber leitete als Regierungsbaurat ab 1947 die Arbeit. Der Sohn erinnert sich, dass Strafgefangene dort arbeiten mussten. Jeden Morgen seien sie mit einem Leiterwagen vom Gefängnis zur Baustelle gezogen. Nördlich der Fürstenfelder Straße entstand ein Block mit 35 Wohnungen für die Polizeischule, eine Omnibushalle für die Kraftfahrerstaffel der Schule samt Werkstätten, ein Dienstgebäude für die Inspektion, ein Haus für die Kriminalaußenstelle der Landpolizei sowie der Posten der Landpolizei. Vor deren Eingang wurde der Brunnen installiert.

Vor vier Wochen trafen sich Vertreter des städtischen Bauamtes, des Landesamtes für Denkmalschutz sowie der Kinderhilfe am Brunnen. Einig war sich die Runde, dass das Kunstwerk erhalten bleiben soll. "Wir wollen den Platz neu gestalten, im Brunnen soll auch wieder Wasser fließen", erklärte Jost Brockmann, der Vorstandsvorsitzende der Kinderhilfe. Die Büsche zur Straße hin sollen entfernt werden, um wieder freie Sicht zu ermöglichen. Oder der Brunnen wird vor den Haupteingang des Gebäudes verlegt, wo viele Spaziergänger und die Besucher der Kinderhilfe vorbeikommen, sagt Brockmann. Um sich eine solche Verlegung offen zu halten, möchte er auch nicht, dass die Anlage unter Denkmalschutz gestellt wird.

Vom Landesamt wollte sich dazu niemand äußern. Man prüfe derzeit, ob der Brunnen denkmalwürdig ist, hieß es. Sicher ist, dass auf der Fläche keine Parkplätze angelegt oder gesunde Bäumen gefällt werden dürfen. Der Bebauungsplan erlaube das nicht, erklärte Hanspeter Stempfle, Sachgebietsleiter im Bauamt.

"Jeder möge sich an der schönen Anlage erfreuen", hatte der Architekt bei der Einweihungsfeier Anno 1950 erklärt. Bald könnte es wieder so sein.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2016
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