Nazijurist und Bürgermeister:Die Gefahr der "Blutvermischung"

Lesezeit: 1 min

Fritz Bauer hat unter den Nationalsozialisten promoviert und ist nach dem Krieg Brucker Bürgermeister geworden. (Foto: Stadtarchiv Fürstenfeldbruck)

Fritz Bauer beschäftigte sich 1937 in seiner Promotion mit "arischen" Ehepartnern, die den in Gesetze gegossenen Rassismus als Vorwand nutzten, um sich scheiden zu lassen.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom September 1935 verbot die Eheschließung sowie außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Zwei Jahre später legte der spätere Brucker Bürgermeister Fritz Bauer seine Doktorarbeit der juristischen Fakultät der Friedrich-Alexanders-Universität in Erlangen vor. Die Promotion handelte über die "Eheanfechtungsgründe des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches".

Ein Aspekt war, inwieweit ein "Irrtum über die Rasse" des Ehepartners ein Scheidungsgrund wäre. Bauer bejahte, sofern der "arische" Ehegatte nicht richtig begriffen hatte, worum es den Faschisten ging, nämlich "daß der jüdische Teil die Eigentümlichkeiten seiner Rasse auf die gemeinschaftlichen Nachkommen übertragen könne". Vielmehr müsse der "arische Gatte die volle Bedeutung des Rasseunterschieds sowohl für die Ehe selbst wie für die Nachkommenschaft (...) erkannt haben".

Bauers Promotion zielte auf nichtjüdische Ehepartner, die die rassistischen Wahnvorstellungen, die in Deutschland Gesetz geworden waren, als Vorwand nutzten, um eine Scheidung aus persönlichen und materiellen Gründen zu bemänteln. Ein solcher Irrtum sei kaum noch anzunehmen, schrieb Bauer, weil der Staat seit dem Sieg des Nationalsozialismus seine "indifferente Haltung" aufgegeben habe und über die Gefahr, "die in der Blutvermischung artfremder Rassen liegt", aufkläre. Auch sei "die Welthetze des Judentums gegen das neue Deutschland allgemein bekannt geworden und dadurch jedem Deutschen das Bewußtsein von der Notwendigkeit der eigenen Rassereinheit gekommen".

Bauer wurde 1912 in Kaufbeuren geboren, er studierte in München und lebte seit 1933 in Bruck. 1940 trat Bauer in die NSDAP ein, dazu in den NS-Rechtswahrerbund, die NS-Volkswohlfahrt und den Kolonialbund. Der Fürstenfeldbrucker NSDAP-Kreisleiter Franz Emmer bescheinigte, Bauer sei politisch einwandfrei. Wenige Tage vor Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde Bauer in Berlin als Beauftragter des Reichsverkehrsministers beim Oberkommando der Wehrmacht tätig und in dieser Eigenschaft später im besetzten Smolensk eingesetzt.

Im Entnazifizierungsverfahren wurde Bauer als Mitläufer entlastet, etliche Zeugen sagten zu seinen Gunsten, er sei nur nominell ein Nazi, in Wahrheit aber Antifaschist gewesen. Was er in der besetzten Sowjetunion getan hatte, prüfte niemand. Bauer selbst verteidigte als Anwalt zahlreiche Brucker Nazigrößen vor der Spruchkammer. 1952 wurde Bauer als Parteifreier in der Stichwahl zum Bürgermeister gewählt und amtierte bis 1962.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: