Fürstenfeldbruck:Nach Zwangspause wieder ans Steuer

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Fahrschulen dürfen von diesem Montag an wieder theoretischen Unterricht und Fahrstunden anbieten. Doch Fahrschüler müssen nach Monaten ohne Übungsmöglichkeit vor der Führerscheinprüfung noch Praxisstunden absolvieren und Extrakosten in Kauf nehmen

Von Patricia Unterlechner, Fürstenfeldbruck

Wer 17 Jahre alt ist und sich auf das begleitete Fahren freute oder wer den Führerschein beruflich braucht, hat seit dem 16. Dezember viel Geduld aufbringen müssen. Denn seither galt ein bundesweiter Lockdown, der vom 22. Februar an nun langsam wieder geöffnet wird. Die ersten Gewerbetreibenden, die nun wieder ihrer Arbeit nachgehen dürfen, sind die Fahrlehrer.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es 22 Fahrschulen, 14 von ihnen sind in einem Kreisverband unter der Leitung von Fred Herrmann organisiert. Wenn die Fahrstunden sowie der theoretische Unterricht unter Schutzauflagen wieder abgehalten werden dürfen, dann wird es bald wieder theoretische und praktische Prüfungen geben.

Rene Bonkowski vor seiner Fahrschule. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das letzte Jahr war für viele Fahrschulen ein Auf und Ab. Erst die Schließung im Frühjahr - mit der Beantragung von Sofort-Hilfen. Dann gab es vom 11. Mai an mit der Wiederaufnahme des Geschäfts einen riesigen Ansturm an Schülern. Sobald die Folgen des Frühjahrs etwas bewältigt waren, kam die erneute Schließung im Dezember. Seit 10. Februar können die Fahrschulen nun einen Antrag für die Überbrückungshilfen III, mit dem Förderzeitraum von November 2020 bis Juni 2021, stellen.

Fahrlehrerin Christl Steuber freut sich, nach der coronabedingten Schließung wieder Theorieunterricht geben zu dürfen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vor der jüngsten Schließung haben Fahrschulen eine Online-Anmeldung zum Theorieunterricht und für den Führerschein im Allgemeinen eingeführt. Aber den Theorie-Unterricht an sich online zu halten, war bis jetzt in Bayern nicht möglich. Erst seit etwa Mitte Januar ist bekannt, dass die Fahrschulen, befristetet bis längstens 30. September Online-Unterricht anbieten können. Viele hätten den Antrag gestellt, doch Fred Herrmann weiß nur von etwa drei Fahrschulen, die vorhaben, einen Online-Theorieunterricht zu organisieren. Die Kosten für Hard- und Software seien hoch, und bei den weiterhin fehlenden Praxisstunden werde der Schülerstau nicht geringer. Die Beantragung ist für viele eher eine Vorbeugungsmaßnahme, falls es zu einer erneuten Schließung kommen sollte. Im Moment wappnen sich die meisten jedoch erst einmal für einen möglichen zweiten Ansturm an Anmeldungen.

Lehrermangel

Der Kreisvorsitzende Fred Herrmann leitet seine eigene, nach ihm benannte, Fahrschule. Sein Team besteht aus zwei weiteren Fahrlehrern, einer von ihnen ist noch in der Ausbildung, und zwei Aushilfen sind auf 450-Euro-Basis im Büro beschäftigt. Er kennt die Probleme der Fahrschulen im Landkreis, die nicht nur etwas mit der Pandemie zu tun haben. Dass er einen Fahrlehrer in der Ausbildung hat, ist eher die Ausnahme. Denn es herrscht ein deutlicher Fahrlehrermangel. Viele seiner Kollegen suchen Unterstützung. Die Ausbildung zum Fahrlehrer ist aber teuer und dauert lange und deshalb unattraktiv für viele.

Fahrlehrer Erich Fink ist froh, dass er nach zweieinhalb Monaten coronabedingter Schließung wieder Fahrstunden anbieten darf. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein weiteres Problem: Die vom TÜV angebotenen Fest- und Sammeltermine für die Praxisprüfungen der Fahrschulen sind begrenzt. Die weniger Prüfer können die Nachfrage nach Terminen nicht decken. Gleichzeitig wurden mit der Einführung der "Optimierten Praktischen Fahrerlaubnisprüfung" zum 1. Januar 2021 die Prüfungszeiten für die Führerscheinklasse B länger. Statt 45 dauert eine Prüfung nun 55 Minuten. Diese Verlängerung führt dazu, dass nun an Stelle von zwölf Praktischen Prüfungen am Tag, nur noch neun oder zehn stattfinden können. Das und die ohnehin schon begrenzte Anzahl an Prüfern, stehen dem kommende zweiten Ansturm auf Prüfungstermine gegenüber.

Hygienekonzepte

Für den ersten Donnerstag, 25. Februar, an dem er wieder praktische Prüfungen stattfinden lassen kann, hat Rene Bonkowski bereits vier Anmeldungen. Die Fahrschüler hätten eigentlich gerne vor oder kurz nach der Schließung der Fahrschulen im Dezember die Prüfung gemacht. Jetzt werden sie in der Woche vom 25. Februar noch ein paar Fahrstunden nehmen, um sich wieder an das Autofahren zu gewöhnen. Die zusätzlichen Stunden bedeuteten auch ein Mehr an Kosten.

Normalerweise hat seine Fahrschule zwischen fünf bis sechs Anmeldungen monatlich. Bei der Öffnung nach dem ersten Lockdown waren es in etwa 20 bis 30 Menschen, die vor der Tür der Fahrschule standen. Über den Sommer hinweg haben sie es dann geschafft, die Lage zu entzerren und den Berg an Arbeit abzubauen, dann kam der zweite Lockdown.

In den Raum für die Theoriestunden passen 20 Menschen. Bei Einhaltung der Abstandsregeln sind es nur noch sieben. Um trotzdem alle unterrichten zu können, bietet die Fahrschule jetzt doppelt so viel Theorieunterricht an wie vor der Pandemie. Der Unterricht von Montag und Donnerstag wird nun zusätzlich am Dienstag und Mittwoch angeboten, sodass 14 Schüler unterrichtet werden können. Neben Rene Bonkowski fahren zwei weitere Fahrlehrer für die Fahrschule. Ein Team aus vier Angestellten auf 450-Euro-Basis betreut das Büro. Für Dezember und Januar hat er für seine Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragt. "Meine Aushilfen haben glücklicherweise noch andere Jobs. Vor allem für die Fahrlehrer ist die Situation besonders schwierig", sagt der Leiter. Um die Kosten für Autos, Versicherungen, Miete und Angestellte zu decken, hat die Fahrschule ihre Reserven aufgebraucht.

Überbrückungshilfe

"Wir sind froh, dass wir wieder etwas tun können", sagt Susanne Fink von der Fahrschule Erich Fink. Das kleine Familienunternehmen in zweiter Generation hat zwei Filialen, eine in Eichenau, die andere in Fürstenfeldbruck. Erich Fink ist Fahrlehrer, seine Frau kümmert sich um das Büro. Im Wechsel öffnen sie montags und mittwochs in Eichenau und dienstags und donnerstags in Fürstenfeldbruck. Um die Vorgaben der Regierung zu erfüllen, konnten sie den Theorie-Unterricht nur noch vor neun anstatt 16 Schüler abhalten, in Fürstenfeldbruck haben sie von zwölf Schülern auf die Hälfte reduziert. Um die 50 bis 70 Schüler hat die Fahrschule im Jahr. Im Moment sind es deutlich mehr.

Von der Idee, die Theoriestunden im Online-Unterricht anzubieten, sind sie nicht überzeugt. "Es wird einen Stau geben", sagt Susanne Fink, "die Schüler haben dann die Theoriestunden, aber die Praxis fehlt ihnen ja weiterhin. Normalweise sollte man beides möglichst parallel lernen." Auch können sie den Lerneffekt der Schüler nicht gut überprüfen. Damit man online kontrollieren kann, ob auch der angemeldete Schüler vor der Kamera sitzt, braucht es eine Ausweiskontrolle. Etwa zehn ihrer jetzigen Fahrschüler benötigen den Führerschein dringend für die Arbeit und warten seit zwei Monaten auf ihre Prüfungstermine. Unter ihnen sind Menschen im Gartenbaubetrieb, vom Bau oder eine Krankenschwester, die auf ein Auto angewiesen wären. Als die Fahrschule am 11. Mai 2020 wieder öffnen konnten, war der Ansturm auch bei ihr riesig. Die für den vorherigen Lockdown beantragten Sofort-Hilfen kamen bei der Fahrschule bereits zwei Wochen nach Beantragung an. Jetzt im zweiten Lockdown fehlen ihnen vor allem die Einnahme aus dem Januar. Die Überbrückungshilfe III für diesen Zeitraum steht aber noch aus.

Insolvenz

Das vierköpfige Fahrschulteam der Fahrschule Axel Lämmle wird am 22. Februar den Betrieb nicht wieder aufnehmen können. Sie schließen ihr seit 23 Jahren in Fürstenfeldbruck bestehendes Unternehmen. Auf ihrer Facebook-Seite nennt die Fahrschule unter anderem eine 80 000 Euro teure Investition in neue Autos als Grund. Die außerplanmäßige Anschaffung Anfang 2020 war nach den Angaben auf Facebook aufgrund des Dieselskandals nötig. Zusammen mit den Belastungen durch die Pandemie waren die Kosten für die Fahrschule nicht mehr zu decken.

© SZ vom 22.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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