Fürstenfeldbruck:Musikalische Reise

Konzert weist Wege in die Welt des Mittelalters

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Hätte das Eröffnungskonzert der neuen Saison der Reihe "Alte Musik in Fürstenfeld" wie üblich im Kurfürstensaal stattgefunden, hätte es Platzprobleme gegeben. Die Bühne des Stadtsaals, in den man coronabedingt ausgewichen war, glich einem Museum mit Instrumenten, die dem Musikfreund kaum bekannt waren und zu denen er auch keine klanglichen Vorstellungen hatte. An dieser Stelle war die Wahrnehmung von Musik weitgehend vergessener Zeiten spannend wie die fremder Kulturen.

So stand dem Publikum des Konzerts eine klangvolle Entdeckungsreise ins Mittelalter mit der "Capella Antiqua Bambergensis" bevor. Es handelt sich dabei um ein 1976 von dem Musikhistoriker Wolfgang Spindler gegründetes Familienensemble, dem Spindler bis heute, inzwischen 82-jährig, als Leiter vorsteht. Zu den fünf Familienmitgliedern kam noch die Sängerin und Instrumentalistin Jule Bauer.

In den äußerst informativen und gut verständlichen Erläuterungen Spindlers schien ein Kosmos des Lebens im Mittelalter auf. Er bezog sich auf historische Ereignisse ebenso wie auf geistliche oder weltliche Herkunft, auf sprachliche Unterschiede und musikalische Merkmale.

Dadurch klang die Musik zwar ungewohnt, doch fanden die Zuhörer durch die Hinweise individuelle Zugangswege. Auf diese Weise wurde Musik hier im besten Sinn des Wortes "erlebt". Dabei sind die Quellen oft spärlich, was konkrete Aufführungshinweise angeht. Der berühmte Codex Manesse, eine mittelalterliche Liederhandschrift aus Heidelberg, aus der auch in diesem Konzert einige Ausschnitte zu hören waren, enthält keinen Ton Musik, sondern nur Liedstrophen. Es verwundert insofern nicht, dass die Künstler meist keine Noten hatten, sondern ihr Musizieren unmittelbar aus dem Zusammenspiel entwickelten.

Die Musiker zogen mit einer "Danse Real" aus dem Frankreich des 13. Jahrhunderts musizierend auf Dudelsäcken und Trommeln, in den Saal ein. Dann erklang das erste Vokalwerk, eine "Cantigas de Santa Maria" von Alfonso el Sabio, zu deutsch Alfons der Weise. Die Geschichte, die erzählt wurde, passt in das Weltbild des Mittelalters: Ein junger Mann stürzt von einem Turm in die Tiefe und wird von Marias Mantel aufgefangen, so dass er sanft auf einem Sandhaufen landet. Sphärische Klänge von Streichinstrumenten, dazu Klangtupfer von einem Hackbrett und eine einfache Melodie eröffneten das Stück. In einem zweiten Teil kamen in bewegterem Tempo eine Trommel und ein kleines Orgelportativ dazu. Zur Sängerin, deren Stimmklang sehr nasal angelegt war, gesellten sich lautere Trommelklänge und eine Schalmei, wobei mehrmals wiederholte Klangmuster hervorstechend waren.

Eine gewisse Berühmtheit hat das "Palästinalied" des Walther von der Vogelweide, der im Codex Manesse abgebildet ist. 1910 entdeckte ein Archivar eine Sammlung mit 26 Strophen dieses Liedes, das auf einem System aus fünf Linien mit gotischer Choralnotation überliefert ist. Im letzten Stück des Programms, "Dum Pater Familias" aus der Kathedrale in Santiago de Compostela, ergänzten sich Dudelsack, verschiedene Trommeln, Streichinstrumente und Orgelportativ zu einem lebendigen Klang. Der große Beifall am Ende zeigte, dass das Publikum die mittelalterlichen Klänge genossen hatte und dass die Zuhörer insbesondere Wolfgang Spindler dankbar waren, der ihnen kurzweilige Wege in die geheimnisvolle Welt dieser Zeit gewiesen hatte.

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