Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Morgenmagie

An der Grund- und Mittelschule Nord in Fürstenfeldbruck frühstücken Pädagoginnen und Kinder vor dem Unterricht gemeinsam

Von Fabiana Braunstorfer, Fürstenfeldbruck

Sich nochmals hinsetzen, ins Brot beißen und etwas Kakao schlürfen - dann kann's losgehen. Dreimal die Woche, montags bis mittwochs, frühstücken Fürstenfeldbrucker Grundschüler in einem gemeinsamen Kreis. 30 Buben und Mädchen der ersten bis vierten Klassen und zwei Erzieherinnen setzen sich dann für jeweils 15 Minuten an den Tisch. Diesem Morgenanfang in der Ganztagesbetreuung der Grund- und Mittelschule Nord wohnt ein Zauber inne - dabei geht es ganz routiniert zu.

Murmeln und Tellerklappern dringt aus den Frühstücksräumen. Dann erinnert eine der Erzieherinnen an den Schulbeginn und 30 Kinder holen Jacken und Schulranzen. Schon sind sie weg. Die gemeinsamen Frühstücke laufen nach getakteten Plan ab: Die Pädagoginnen Lilo Peerenboom und Michaela Schwarzmann bereiten ab sieben Uhr das Frühstück vor. Eine halbe Stunde später kommen die Schüler, die sich laut Peerenboom auf ihren angestammten Platz setzen und nach dem Speisen ihren Teller aufräumen. Das erinnert an familiäre Morgenroutine.

Das Angebot ist ungefähr gleichbleibend - und die Vorfreude garantiert: Zum Trinken gibt's Kakao, Tee und Wasser, zum Essen Brezen, Vollkornsemmeln oder Bio-Müsli. Obst steht auch bereit: immer mal was anderes und klein geschnitten - dann probierten es die Kinder eher. An den Probiertagen können diese außerdem Neues kennenlernen, etwa Gurken, Tomaten oder hart gekochte Eier. Das Lieblingsmenü besteht laut Peerenboom aber aus Wasser, Schokomüsli und Kakao. "Schoko ist der Hit." Von den drei Müslisorten Erdbeere, Banane und Schoko lieben die Kinder letztere am meisten. Und da es häufig ausverkauft ist, lädt Peerenboom immer einen Vorrat in den Einkaufswagen.

Die Idee sei aus einer Feststellung erwachsen, berichtet Ricarda Kicherer, Leiterin der Grund- und Konrektorin der Mittelschule. Das Lehrpersonal hörte von vielen Schülern, dass sie ohne Frühstück in die Schule kämen. Daher überlegte man, das Frühstück in die Schule zu verlagern. "Der frühere Elternbeiratsvorsitzende Frank Schneider hat dann den Kontakt hergestellt", so Martina Fink von der Hans Kiener Stiftung. Im September 2018 sei er bei einem Spendenlauf der Stiftung auf sie zugegangen und habe von der Idee erzählt.

Bereits in der "Testphase" im Januar war laut Kicherer die Nachfrage hoch: Zum zweiten Halbjahr wurden 20 Buben und Mädchen angemeldet. Mit fünf Euro monatlich beteiligen sich die Eltern an den Kosten. Den Rest, also anfallende Differenzen vom Einkauf der Lebensmittel und die Personalkosten der frühen Stunden, übernimmt die Stiftung.

Man möchte nicht nur gemeinsam essen, sondern auch eine gute Stimmung erzeugen. So gehe es laut Peerenboom auch darum, eine "Vertrauensbasis" zu schaffen. Und das kommt gut an: "Die Kinder essen teilweise zu Hause nicht", sagt Erzieherin Michaela Schwarzmann. Beim gemeinsamen Frühstück entwickelten sie dann jedoch Appetit. Auch Peerenboom stellt fest: "Der Appetit ist groß." Diesen fast schon wundersamen Wandel des Essensverhaltens erklärt sich Schwarzmann mit einem Gemeinschaftssinn, der durch das Ritualfrühstücken entstehe. Es fehlt wohl noch eine Bezeichnung für die kulinarisch-pädagogische Rolle von Schwarzmann und Peerenboom. Es geschehe immer wieder, dass Kinder sie stolz auf der Straße erkannten und ihren Eltern vorstellen wollten, erzählt Peerenboom. Doch wie sollen diese sie nennen? Ein wenig Frühstücksfee, ein wenig Lehrerin.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2019
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