Fürstenfeldbruck:Mit Bibern leben

Der Bestand hat sich erholt. Doch das bringt auch Probleme mit sich

Von Ariane Lindenbach

Lautlos und fast unsichtbar gleiten Biber durch die Gewässer. Da sie nachtaktiv sind, bleiben sie meist verborgen. Doch ihre Spuren - angenagte oder gar gefällte Bäume, Biberdämme und -burgen sowie die sogenannten Drahthosen, die Naturschützer zum Schutz um den unteren Teil von Baumstämmen wickeln - sieht man immer öfter. Kein Wunder. Im Landkreis hat sich die Zahl der zweitgrößten lebenden Nagetiere der Welt, die noch vor ein paar Jahrzehnten vom Aussterben bedroht waren, längst erholt. Ihre Population ist entlang Amper, Maisach und Glonn derart gewachsen, dass sie mancherorts Probleme verursachen, etwa durch ihre Staudämme, die entlang der Bahnlinie München - Augsburg regelmäßig beseitigt werden müssen. Abgeschossen werden dürfen die Tiere nur im äußersten Notfall. Sie sind durch die Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt. Und ihre Existenz hat auch positive Aspekte.

Fast wäre der Biber in unseren Breitengraden ausgestorben. Und das, obwohl er 15 Millionen Jahre lang in Bayern gelebt hat. Gründe für den drastischen Rückgang der Population gab es viele. Bei Landwirten waren sie wegen ihrer Bauten und ihres Appetits auf Feldfrüchte verhasst. Zudem schätzten weite Teile der Bevölkerung das Fleisch des etwa ein Meter großen Nagers als Nahrungsmittel. Zumal findige Katholiken ihn im 18. Jahrhundert kurzerhand zum Fisch deklarierten und so eine nahr- und schmackhafte Speise in der Fastenzeit hatten. Der Biber war so beliebt, dass er im 19. Jahrhundert europaweit vom Aussterben bedroht war. Laut Bund Naturschutz (BN) wurde der letzte bayerische Biber 1867 an der Amper nachgewiesen.

Fast genau 100 Jahre später, 1966, begann der BN mit der Wiedereinbürgerung des Tieres. Seit 1976 gilt nicht mehr das Jagd-, sondern das Naturschutzgesetz für ihn, er ist sogar nach der strengen europäischen FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat) geschützt. Das bedeutet, dass für seine Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Allerdings kann bei extremen Problemen, etwa wenn durch einen Biber größere Überschwemmungen verursacht werden wie vor ein paar Jahren in Althegnenberg, wo an der Bahnstrecke durch Biberbauten ein Stausee den Bahndamm gefährdete, nach sorgfältiger Einzelfallprüfung das Aufweichen der Schutzregeln erlaubt werden. Erste Wahl ist dann das Einfangen und Umsiedeln zu Orten mit weniger Besiedlung. Doch es werden auch immer wieder Abschüsse von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt genehmigt, ihre Zahl im Landkreis schwankt zwischen sieben und 20 pro Jahr. In weniger gravierenden Fällen, etwa an der Bahnlinie in Olching, wo ein Stromkasten durch Biberdämme immer wieder von Überflutung bedroht ist, wird das Bauwerk regelmäßig beseitigt.

Für die Landwirte sind die sogenannten Biberrutschen ein Problem, die die Nager am Ufer anlegen, um schnell ins Wasser gleiten zu können. Wie Petra Heber von der Unteren Naturschutzbehörde erläutert, kann das bei Hochwasser zu Ausspülungen führen. Und dann können ganze Uferstücke weg brechen. Wie zum Beispiel am Schweinbach zwischen Oberschweinbach und der Kläranlage. "Ab und zu machen sie auch Gänge rein, die weiter vom Ufer entfernt sind", sagt Heber. Wenn die dann unter einem Feld liegen, das ein Bauer auf seinem Traktor bearbeitet, kann er in den Boden einsinken. Einmal ist ein Landwirt an der Maisach in eine Biberburg gefallen, die von oben nicht zu sehen war. Er wurde ernsthaft verletzt. Ein weiteres Problem ist der Appetit der Nager auf Mais und Zuckerrüben. Das Landratsamt zahlt in solchen Fällen Schadenersatz. Der ist allerdings auf 4000 Euro pro Jahr begrenzt. Gibt es also viele Schadensmeldungen, ist die Auszahlung für den Einzelnen niedrig.

Ein positives Beispiel dafür, dass das Zusammenleben mit den Bibern funktionieren kann, gibt es in der Gemeinde Alling. Bürgermeister Frederik Röder erhielt 2007 vom BN-Vorsitzenden Hubert Weiger eine Biber-Patenschaftsurkunde für sein vorbildliches Handeln zum Schutz des Bibers. Und das kam so: Seit 2003 hatte sich das Tier wieder am Starzelbach angesiedelte, etliche Dämme angelegt und so den Bach angestaut. Die Besitzer der Fischweiher fürchteten einen Rückstau bis zu ihren Teichen, Landwirte die Vernässung ihrer Wiesen. Außerdem hatte der Biber schützenswerte Bäume, vor allem Weiden und Pappeln, gefällt. Auf Einladung von BN und Röder folgten Gespräche zwischen den Betroffenen, Naturschützern und Behördenvertretern. Ziel war es, eine Balance zu schaffen zwischen der Nutzung des Landes durch den Menschen und seiner Bedeutung als Lebensraum für den Biber. Die Lösung war, die Dämme auf einem festgelegten Niveau zu halten, so dass die Weiher auslaufen können und die Wiesen nutzbar bleiben. Schützenswerte Bäume ummantelten die Naturschützer auf eigene Kosten mit Draht. Seither gibt es ein friedliches Nebeneinander von Mensch und Biber, das beweist, dass mit etwas Kompromissbereitschaft beide Seiten zusammen leben können.

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