Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Mehr als nur die Gestaltung von Gottesdiensten

Die Anforderungen an die Kirchenmusiker sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Um die Zahl der Mitglieder in den Chören stabil zu halten, bieten sie Interessenten attraktive Großprojekte an, wie etwa die Aufführung von Oratorien und Auftritte mit extra engagierten Solisten

Von Klaus Mohr

Das Wochenende war für drei Kirchenchöre im Landkreis so etwas wie ein vorgezogenes Erntedankfest: Um die Ergebnisse der Probenarbeit der letzten Monate dem Publikum noch vor den Sommerferien zu Gehör zu bringen, fanden in Fürstenfeldbruck, Eichenau und Germering ambitionierte Kirchenkonzerte statt. In allen drei Konzerten standen große symphonische Werke der Romantik aus dem geistlichen Repertoire auf dem Programm. Dafür sind meist Kooperationen erforderlich, weil der einzelne Kirchenchor die Aufführung solcher Werke nicht allein stemmen kann. Gleichzeitig sind die Erwartungen der interessierten Sänger oft so verschieden wie die Menschen selbst. Zusätzlich zu den traditionellen Einsätzen in den Gottesdiensten gilt es daher auf Seiten der Kirchenmusiker, zusätzliche attraktive Angebote zu machen. Konkrete Projekte, für die sich der einzelne Sänger entscheidet und für die die Probenzeit überschaubar ist, scheinen da besonders attraktiv. Sie ermöglichen, was dem modernen Menschen entspricht, nämlich eine möglichst große Flexibilität ohne allzu feste Bindungen. Dadurch ist es möglich, trotz der oft schwindenden Zahl an festen Kirchenchormitgliedern dennoch hochwertige Musik zu machen.

Die drei Beispiele vom Wochenende zeigen, wie viel Kreativität von den verantwortlichen Kirchenmusikern erwartet wird. Große Werke, wie die Messe in D-Dur von Antonín Dvořák oder das Oratorium "Paulus" von Felix Mendelssohn Bartholdy, erfordern große Besetzungen und eine intensive Probenarbeit. "Die Bereitschaft, sich im Ehrenamt zu regelmäßigen wöchentlichen Terminen zu verpflichten, ist in den letzten Jahren weiter zurückgegangen", resümiert Stephan Zippe, stellvertretender Diözesanmusikdirektor der Erzdiözese München und Freising. Im Landkreis Fürstenfeldbruck kommt hinzu, dass mehrere sehr ambitionierte Konzertchöre, wie der Bach-Chor Fürstenfeldbruck, der Philharmonische Chor Fürstenfeld oder der Konzertchor Germering attraktive Möglichkeiten für Sänger anbieten.

Die große Zahl an geistlichen Werken, die nicht unbedingt für den Gottesdienst bestimmt sind, stellt ein fast unerschöpfliches Repertoire gerade auch für Kirchenkonzerte dar. "Sakrale Architektur und sakrale Musik gehen eine geglückte Synthese ein und sprechen den Zuhörer ganzheitlich an", formulierte die Deutsche Bischofskonferenz in einer Arbeitshilfe im Jahr 2005. Simon Probst, Kirchenmusiker der Pfarrei Sankt Bernhard und zugleich Dekanatsmusikpfleger, sieht insbesondere auch eine gesellschaftliche Funktion in Kirchenkonzerten: "Die Kirchenmusik kann auch eine Möglichkeit sein, Personen außerhalb der kirchlich gebundenen Klientel als Mitwirkende oder Zuhörer in die Kirche zu locken." Im Idealfall werde dadurch auch ihr Interesse an weiteren kirchlichen Anliegen geweckt.

Finanzielle Anstrengungen, die sich nur zu einem oft geringen Teil durch den Verkauf von Eintrittskarten decken lassen, sind mit großen Kirchenkonzerten in jedem Fall verbunden. Hier bieten die Kirchen vom Notenmaterial über den Probenraum bis zum Chorleiter eine Art "Vollkostenübernahme". Auch zusätzliche Musiker werden finanziert, ohne dass sich die Sänger beteiligen müssen. Die Gemeinde Eichenau hat sich beim "Paulus"-Projekt zudem substanziell beteiligt, was auch eine Wertschätzung bürgerschaftlichen Engagements im Bereich der Kultur darstellt. In Germering existiert eigens der Verein "Musica Sacra", der die konzertante Kirchen- und Orgelmusik der katholischen Kirche Sankt Cäcilia finanziell unterstützt.

Um einer Überalterung der Kirchenchöre entgegenzuwirken, ist eine anspruchsvolle Arbeit in Kinder- und Jugendchören unerlässlich, wie sowohl Stephan Zippe, als auch Simon Probst übereinstimmend betonen. Auch diese findet in Fürstenfeldbruck ökumenisch statt.

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Quelle:
SZ vom 24.07.2018
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