Martin Reicherzer ist mehr Bäcker als Konditor. „Weil man da besser experimentieren kann“, sagt der Brotmacher, der vor sieben Jahren mit seiner Frau Nadja in der Hauptstraße von Fürstenfeldbruck die Traditionsbäckerei Bücherl übernommen hat. Meister ist er in beiden Berufszweigen, aber sein Herz schlägt „schon eher fürs Brot“. Dies und vieles über seinen Werdegang, über seine Familie, sowie übers Würzen sowie Erfahrungstricks, die helfen, dass in seinem Betrieb „nur Bestes zum Wohle der treuen Kundschaft“ aus dem Backofen kommt, erfuhren die vielen Gäste, die Diana Rupprecht vom Brucker Forum im Lesecafé der Stadtbibliothek begrüßen konnte.
Reicherzer war Talk-Gast im Erzählcafé, das in Kooperation von Brucker Forum, Brucker Bibliothek und dem LiB Mehrgenerationenhaus organisiert wird. Das zweistündige, freimütige und zwanglose Plaudern wurde mit viel Geschick von der BR-Redakteurin Angelika Nörr gesteuert, sodass Reicherzer manchmal erst ein wenig nachdenklich wurde, bevor er mit verständnisvollem Lächeln Antwort gab.
Nörr saß dem in einen weißen Arbeitskittel gekleideten Bäckereichef gegenüber. Sie begann das Gespräch mit Quizfragen an die Besucher, wobei diese mit ihrer Einschätzung richtig lagen, dass der Endfünfziger schon von Kindheit an den Wunsch in sich trug, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, statt zum Beispiel Banker zu werden. Ebenso richtig lagen, die meisten Gäste mit dem Votum, dass Reicherzer lieber Brote wie aktuell das „Urkornbrot“ kreiert als Torten zu zaubern, und dass Joggen und Wandern nicht zu dessen Freizeitaktivitäten gehören. Es sei eine Frage der Zeit, welchen Betätigungen man sich in der begrenzten Freizeit widmen könne, sagt Reicherzer und ergänzt: „Gereist sind wir aber dennoch ab und zu.“

Zur Reicherzer-Bäckertradition erläuterte der Betriebschef, dass es mit seinem Großvater zunächst in Aubing begonnen habe, später in Gröbenzell gebacken worden sei und jetzt eben in Fürstenfeldbruck. Als zweites von sechs Kindern habe er mit 15 die Bäckerlehre begonnen, danach mit Begeisterung die Meisterschulungen absolviert. „Wegen des frühen Aufstehens und Arbeitens auch am Wochenende war es nicht einfach, weil Freunde länger und auch öfter feiern konnten“, erinnert er sich. Glücklich ist der Handwerksmeister darüber, dass es nach ihm in vierter Generation weitergeht, denn „mein Sohn Quirin ist wie ich Meister und bereits angespitzt“.
Auf die Frage der Moderatorin, warum er seinerzeit in Gröbenzell aufgehört habe, merkt er an: „Eine Bäckerei sei in der reinen Wohngegend wohl nicht mehr gewünscht gewesen.“ Ein Glücksfall sei es gewesen, dass er nach Fürstenfeldbruck habe wechseln können. Binnen sechs Wochen sei er sich mit der Familie Bücherl, die zunächst keinen Nachfolger gefunden habe, bezüglich der Übernahme einig geworden. Die Umstellung habe etwas gedauert, nun aber sieht er seine Bäckerei bestens etabliert.

Als Bedingung habe Wilhelm Bücherl gestellt, dass er jederzeit in den Betrieb kommen dürfe, „und er kommt noch fast jeden Tag“, erzählt Reicherzer. Ihm liegt am Herzen, junge Leute für den Beruf zu begeistern. Daher engagiert er sich auch bei der Innung und kümmert sich um Ausbildung und Prüfung des Nachwuchses. Auf ein Überbleibsel auch der Bücherl-Zeit ist er stolz, die „Bücherl-Brezn“. Er habe diese mit ins Grundsortiment aufgenommen, „weil sie beliebt war und immer noch ist“, auch wenn sie aufwendiger herzustellen sei. „Damit die Hefe gut arbeiten kann und sich der Geschmack besser entfaltet, lasse ich den handgemachten Teig länger ruhen. Fabrikrohlinge kommen ohnehin nicht in meinen Backofen“, sagt der Bäckermeister.
Außerdem werde die Brezn nicht so stark gelaugt wie die herkömmliche bayerische. Backgeheimnisse offenbarte Reicherzer wenig, nur dass für die Backkunst wesentlich sei, sich auf das zur Verfügung stehende Getreide und die Zutaten einzustellen. Wie für den Menschen nicht jeder Tag gleich sei, seien auch die Zutaten je nach Witterung zum Beispiel hinsichtlich Feuchte immer wieder unterschiedlich. „Ein guter Bäckermeister berücksichtigt dies beim Brotbacken, das bei uns vom Teiganrühren bis zur Krustenfertigkeit 36 Stunden dauert. In Brotfabriken mit viel kürzeren Produktionszeiten achtet niemand darauf“, sagt er selbstbewusst. Dass Mitarbeiter kein Aftershave und auch kein Deo benutzen dürfen, damit sich der Duft nicht auf das Backwerk überträgt, wie eine Besucherin fragte, bestätigte Reicherzer nicht.