Manfred Weber ist nicht da, aber in aller Munde. Der CSU-Politiker, der nach der Europawahl EU-Kommissionspräsident werden möchte, ist auf Wahlkampftour unterwegs. In Fürstenfeldbruck ist er nicht, dort müssen sie sich damit zufrieden geben, über ihn zu reden. Jürgen Kirner tut das zu Beginn. Der Kabarettist, der alljährlich beim Starkbierfest im Brucker Veranstaltungsforum die Politik in der Großen Kreisstadt und im ganzen Land aufs Korn nimmt und der "ein enger Vertrauter von Manfred Weber ist", wie der Brucker CSU-Ortschef Andreas Lohde sagt, lobt denn auch gleich Webers "Herzensbildung", der Europa "im positiven Sinne voranbringen möchte" und ein "Brückenbauer" sei. Kirner, obwohl CSU-Mitglied, ist quasi der Nicht-Politiker unter den Diskutanten beim politischen Stammtisch zur Europawahl, den die CSU am Sonntagvormittag im kleinen Zelt auf dem Fürstenfeldbrucker Volksfestplatz veranstaltet.
Die Jacke anzubehalten, empfiehlt sich, es ist empfindlich kühl an diesem Maiensonntagmorgen. Im Vorjahr probierte die CSU das "neue Format", wie Lohde sagt, erstmals aus, um "mehr ins Gespräch zu kommen als bei großen Bierzeltveranstaltungen". Die Runde - diesmal bestehend aus Kirner, dem CSU-Landtagsabgeordneten Alex Dorow, dem jungen CSU-Kandidaten für das EU-Parlament, Benedikt Flexeder, und Moderator Lohde - nimmt deshalb nicht auf der Bühne Platz, sondern davor - sozusagen auf Augenhöhe mit den etwa 50 Besuchern, die überwiegend Parteigänger sind.
Es wird viel applaudiert bei solchen Veranstaltungen. Der routinierte Politiker und ehemalige Fernsehmann Dorow und der pointiert formulierende Kabarettist Kirner sind dem 29-jährigen Europakandidaten Flexeder rhetorisch weit überlegen. Sie loben den Bewerber. Dorow sagt, Flexeder liefere "Antworten mit Substanz" und sei "grundehrlich". Und "dass Beni als bodenständiger Handwerker kandidiert", sei "toll", sagt Kabarettist Kirner über den Elektriker Flexeder.
Besonders kontrovers geht es nicht zu an diesem Vormittag. Man ist sich einig darin, Europa als Friedensprojekt zu loben, was allerdings von vielen "als zu selbstverständlich wahrgenommen" würde, findet Flexeder. Sinnvoll wäre deshalb, Europa "erlebbar zu machen, nicht nur zu Wahlkampfzeiten", empfiehlt Jürgen Kirner. Flexeder regt an, dass es Schüleraustausch auf europäischer Ebene vom Gymnasium bis zur Mittelschule geben solle. Ob das Europa der 28 Staaten zu schnell gewachsen sei, will Lohde von Dorow wissen. Der kann sich ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" gut vorstellen. Lohde moderiert mit klugen Fragen und kann sich beim Thema Brexit einen Seitenhieb auf seine Kollegen im Fürstenfeldbrucker Stadtrat nicht verkneifen, als er sagt: "Das schwierige Verhalten im Parlament können wir in Fürstenfeldbruck gut nachvollziehen." Gelächter im Zelt.
Kirner indes glaubt nicht, dass es noch zu einem Austritt Großbritanniens aus der EU kommen wird. Das Votum der Briten käme ein wenig so daher, als wollten sie den Brexit gar nicht, als hätten sie sich nur "verwählt". So wie man hierzulande eigentlich nicht wolle, "dass die SPD stirbt". Die CSU-Parteigänger amüsieren sich. Statt die Fristen ständig zu verlängern, will Flexeder in Sachen Brexit endlich Ergebnisse sehen: "Die Menschen in England haben abgestimmt. So funktioniert Demokratie." Es sei auch eine Warnung an jene, "die nach direkter Demokratie rufen".
Immer wieder taucht Manfred Weber auf. In Sachen Türkei zum Beispiel. Deren Beitrittsverhandlungen mit der EU möchte Weber stoppen. Grundsätzliche Zustimmung im Zelt, nicht ohne freilich darauf zu verweisen, wie es Alex Dorow tut, dass "aber keiner weiß, wie die Türkei in 30 Jahren da steht". Es geht auch noch um Viktor Orban, den ungarischen Staatschef mit der rigiden Flüchtlingspolitik. Flexeder sagt, Ungarn sei immerhin "eines der letzten Länder, die Dublin III ernst nehmen", es "die ganze Zeit zu verteufeln, das geht zu weit". Auch Dorow will sich dem Thema mit Bedacht nähern, sagt, dass es ein Fehler sei, "wenn wir alle Populisten über einen Kamm scheren". Er nennt Orban einen "Stabilitätsfaktor mit problematischen Ecken", mit dem man kritisch-vernünftig umgehen müsse - so wie Manfred Weber das mache.