Süddeutsche Zeitung

Lebensmittelbranche:"Man muss die Waren inszenieren"

Lesezeit: 3 min

Die AEZ-Geschäftsführer Klaus und Udo Klotz erläutern, wie sie auf die Internet-Konkurrenz reagieren

interview Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Mit elf Lebensmittelgroßmärkten gehört das 1968 in Fürstenfeldbruck gegründete AEZ zu den letzten großen selbständigen Einzelhändlern im Westen Münchens. Auf Verkaufsflächen von rund 27 000 Quadratmetern erzielen die beiden Geschäftsführer des Familienbetriebs, Klaus und Udo Klotz, mit etwa 350 Vollzeitkräften einen Jahresumsatz, der auf hundert Millionen Euro geschätzt wird. Zu Umsätzen äußern sich die beiden Geschäftsführer nicht, dafür sprechen sie umso offener über die Folgen der Internetkonkurrenz für den Einzelhandel.

SZ: Der Inhaber eines neuen Rewe-Ladens will in Fürstenfeldbruck demnächst einen Lebensmittellieferservice, aber auch Abholboxen anbieten. Geht in Ihrer Lebensmittelbranche inzwischen auch der Trend zum Internet?

Udo Klotz: Das Internet wird im Lebensmittelhandel kommen, aber nicht so stark wie bei Büchern, Kleidern oder Schuhen. Das hat auch mit dem erheblichen Aufwand und mit der Verderblichkeit der Waren zu tun.

Wie reagieren Sie auf diese Entwicklung?

Klaus Klotz: Wir Einzelhändler haben auf Dauer gegen das Internet nur eine Chance, wenn wir ein Einkaufserlebnis bieten, die bessere Frische haben und die Waren im Laden auch sofort verfügbar sind. Sonst kann der Kunde ja gleich im Internet bestellen.

Das Einkaufserlebnis wird wirklich angenommen?

Udo Klotz: Ja. Wir müssen den Kunden dazu so viel bieten, dass sie unser Haus als Teil ihres Lifestyles betrachten. Man muss die Waren inszenieren. Buchhandlungen sind ja auch wieder im Kommen, weil sie ein Erlebnis bieten. Man kann sich beraten lassen. Man kann fachsimpeln, man kann sich ein Buch anschauen und in einer Sitzecke schmökern und dazu oft noch einen Kaffee trinken, bevor man etwas kauft.

Klaus Klotz: Wenn ich einen zeitgemäßen Buchladen besuche, könnte ich dort stundenlang lesen. Das ist toll. Der klassische Supermarkt wird sich also ändern müssen. Er wird versuchen, über die reine Warenversorgung hinaus etwas zu bieten. So ist das Segafredo-Café in unserem AEZ in der Buchenau in Fürstenfeldbruck ein beliebter Treffpunkt mit Kommunikationsmöglichkeiten. Und seit Kurzem wird ebenfalls in der Buchenau in Ergänzung zum bestehenden Fischladen in unserem Laden von asiatischen Spezialisten täglich Sushi frisch produziert.

Udo Klotz: Seither esse ich zwei-, dreimal die Woche frisches Sushi.

Sie weisen auf Dinge hin, die das Internet nicht kann. Was sind dessen Schwächen?

Udo Klotz: Eines der Probleme ist das Angebot. Hier schrumpft das Angebot bei Lebensmitteln auf vielleicht nur 2000 Artikel zusammen. Wir haben in unseren Läden dagegen eine Auswahl von etwa 60 000 Produkten. Im Laden hat der Kunde zudem die Möglichkeit, auf einen Artikel eines anderen Hersteller auszuweichen, wenn er etwas nicht findet.

Klaus Klotz: Was tun Sie als Kunde, wenn beispielsweise die gelieferten Bananen im Internet gut aussehen, aber nicht Ihren Qualitätsansprüchen genügen?

Udo Klotz: Das nächste Problem ist die Frische. Abgesehen von Kühl- und Tiefkühlwaren halten sich selbst in einer gekühlten Abholbox Obst und Gemüse nur eine bestimmte Zeit.

Welche Folgen hat das für Ladeninhaber?

Udo Klotz: Man muss entsprechend große Verkaufsflächen haben, um die Waren zu inszenieren. In Innenstädten ist das insbesondere im Nonfood-Bereich schon ein Problem.

Lohnt sich der Internetverkauf von Lebensmitteln überhaupt?

Udo Klotz: Im Moment sind die verschiedensten Systeme auf dem Markt, jeder experimentiert herum, deshalb spielen die Kosten oder die Aussicht auf Gewinn noch keine entscheidende Rolle. Die Lieferung ins Haus ist zudem sehr kostenintensiv, ebenso die Zusammenstellung der Bestellung durch Mitarbeiter. Da wir in Deutschlands die günstigsten Lebensmittelpreise haben, stellt sich die Frage: Ist der Verbraucher bereit, diesen Service zu bezahlen? Zum Nulltarif geht das nicht.

Klaus Klotz: Wir besuchen oft Fachtagungen. Bei einer solchen Tagung in Baden-Württemberg haben wir einen Lebensmittelmarkt besichtigt, der einen Abholmarkt eingerichtet hatte. Bisher ist der Erfolg schwer messbar.

Wer versorgt sich übers Internet mit Lebensmitteln?

Klaus Klotz: Es sind nicht diejenigen, von denen man glaubte, sie seien dafür prädestiniert. Das wären gebrechliche, ältere Leute. Die suchen die Ansprache und gehen deshalb auch noch mit dem Rollator zum Einkaufen. Per Internet kaufen vor allem junge Leute ein, die eher einen kreativen, künstlerischen Beruf haben und nicht viel Zeit für ihre Besorgungen erübrigen wollen oder können.

Wie viele Menschen kaufen täglich in Ihren elf AEZ-Märkten ein?

Udo Klotz: Zwischen 20 000 und 40 000 Menschen - je nach Saison und Wochentag.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2016
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