Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Lebensprägende Rollen

Schüler der dritten Klassen verbessern ihr Deutsch und zeigen in einem Theaterstück ihre Fortschritte

Von Jakob Mandel, Fürstenfeldbruck

Der Wachmann der "Gelbenholzener Arkaden" nahm seinen Job nicht allzu ernst. Erst schlief er, als ein Motorrad aus dem Autogeschäft gestohlen wurde, auch noch, als der Juwelier der Arkaden ausgeraubt wurde, und schließlich, als die Diebe in der Zelle einsaßen, war er zum Essen gegangen. Zugegebenermaßen war er da aber auch von seinem Arbeitsplatz weggelockt worden. Die Diebe hatten Olli, einen Freund des Wachmanns dafür bezahlt, mit ihm essen zu gehen und sie zu befreien.

Der Schauspieler des Wachmanns, der neunjährige Ukemeobong, war begeistert von der Rolle: "Ich war in allen Szenen dabei, durfte schlafen und hatte viel Text. Das war sehr cool!" Er sei vor dem Auftritt zwar nervös gewesen, jetzt aber sehr zufrieden. Generell habe ihm das Projekt viel Spaß gemacht und er glaube, dass es ihm im nächsten Schuljahr helfe.

Das Projekt ist die Deutsch-Freizeit der Bürgerstiftung für den Landkreis. Es soll Drittklässlern helfen, besser mit der deutschen Sprache zurechtzukommen und so den Übertritt von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen erleichtern. "Wir hatten dieses Jahr sehr tolle Kinder, sie waren lernwillig und aufnahmebereit. Ich glaube, dass sie sehr von unserem Projekt profitieren können", erklärt Silvia Ponath, Leiterin des Projekts und der Geschäftsstelle in Bruck.

20 Kinder nahmen teil. Sie arbeiteten eine Woche in den Pfingst- und zwei in den Sommerferien zusammen mit einer Theaterpädagogin, drei Deutschnachhilfelehrern und zwei Betreuern daran, ihr Deutsch zu verbessern und ein kleines Theaterstück aufzuführen. "Es war schon ein recht enger Takt für die Kinder", sagt Luca Golling, der andere Betreuer neben Ponath. Die Kinder und Betreuer übernachteten in der Projektzeit im Haus des Kreisjugendrings in Gelbenholzen, wo das Stück aufgeführt wurde. Die Kinder bekamen vormittags von 8.30 bis zwölf Uhr Deutschunterricht, und nach dem Mittagessen arbeiteten sie von 13 bis 16 Uhr zusammen mit der Theaterpädagogin Ulrike Schilling an ihrer Aufführung.

"Die Kinder gehen hier total auf", sagt Golling, vor allem im sozialen Bereich hätten sie eine gewaltige Entwicklung genommen. Die Kinder hätten Konflikte selbst gelöst und wertvolle Erfahrungen gesammelt: "Manche haben vor der Deutsch-Freizeit noch nie außerhalb ihres Elternhauses übernachtet, nicht einmal bei den Großeltern."

Diese würden manchmal einfach zu weit weg wohnen, die Kinder stammen unter anderem aus den Niederlanden, Ungarn, Bosnien, Irak, Nigeria und Uganda. Daraus resultieren manchmal auch Verständigungsprobleme, wie Ponath und Golling erklären. Die Eltern der Teilnehmer sprächen manchmal selbst nicht so gut Deutsch und müssten ihre älteren Kinder als Dolmetscher dazu holen, wenn Ponath mit ihnen telefoniere.

Die Eltern hätten mehr Sehnsucht nach den Kindern gehabt, als andersherum, scherzt Golling. Das Stück, das die Kinder als Schlusspunkt des Projekts aufführten, sei nicht nur für die Eltern eine Überraschung gewesen, sondern auch für das Team. Nur die Theaterpädagogin Schilling und die Kinder hätten auf der Grundlage des Buchs "Die Händlerin der Worte", das die sie gemeinsam gelesen haben, an der Vorführung "Gelbenholzener Arkaden" gearbeitet.

Gollings Lieblingsfigur war die zehnjährige Vanessa als Polizistin. Sie konnte mit einem Kollegen die Diebe aus den Arkaden in einem Kino festnehmen. "Ich hatte eine coole Rolle, aber ich war schon nervös. Meine Lehrerin hat ja zugesehen", sagt sie. Den Rest des Projekts habe sie auch gemocht und glaubt jetzt, für das kommende Schuljahr gut gerüstet zu sein.

Die neunjährige Julia, die eine Kinobesucherin gespielt hat, sieht das genauso: "Ich glaube, dass ich jetzt besser in Deutsch werde." Golling und Ponath sind überzeugt, dass jedes Kind das von sich behaupten könne. Zumal die Rückmeldungen, die Ponath von den Lehrerinnen, die die Kinder für das Projekt vorschlagen, erhält, auch immer positiv seien. Dort sehen sie noch Verbesserungspotenzial. Die Projektbetreuer sind sich einig: "Wir können und wollen noch ein paar Kinder mehr im Projekt aufnehmen."

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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