Ist die Demokratie in Gefahr? Können Akteure wie Donald Trump, Viktor Orban, Marine Le Pen oder Björn Höcke die politischen Systeme, Verfassungen und Grundgesetze in ihren Grundfesten erschüttern? Wie ist ihnen beizukommen, wie lassen sich Rechtsruck, Antisemitismus und zunehmende Ausländerfeindlichkeit erklären? Und was kann auf lokaler Ebene getan werden? Viel Diskussionsstoff, der locker für einen Abend reicht. In Fürstenfeldbruck reserviert die Gretl-Bauer-Volkshochschule dafür noch mehr Zeit: eine ganze „Lange Nacht der Demokratie“. Denn einfache Lösungen gibt es nicht, das wird am Mittwoch klar, an dem neben vielen Themen und einer Podiumsdiskussion auch die Migration im Blickpunkt steht.

Die begleitende Ausstellung „Menschen in Bewegung“ in der Caféteria der VHS, die sich der Migration und ihren Folgen widmet, dient Tizian Stocker als Bühne für eine erste Einordnung. Unter seinen Zuhörern sind auch die Teilnehmer eines Deutsch-Sprachkurses. Ein Ehepaar aus der Ukraine lässt sich den Vortrag von seinem Smartphone übersetzen. Stocker ist Masterstudent in European Studies und freier Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er plädiert dringend für eine Versachlichung. Warum also verlassen Menschen ihre Heimat? Kriege, Naturkatastrophen, politische Verfolgung und der schlichte Kampf ums Überleben können Gründe sein. Doch auch Arbeits- oder Bildungsmigration spielen eine wichtige Rolle. Stocker selbst hat in Dänemark studiert, war also Bildungsmigrant. „Es gibt einen deutlichen Unterschied, ich bin freiwillig nach Dänemark gegangen zum Studieren, Menschen auf der Flucht tun das nicht freiwillig.“ Ursachen seien überwiegend bewaffnete Konflikte, politische, religiöse oder ethnische Verfolgung. Es sei daher wichtig, langfristig die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Oft sind westliche Länder gar nicht so stark betroffen, weil die Flüchtlinge bei der „Binnenmigration“ lediglich in andere Teile des Landes wandern. Ein Beispiel dafür ist der Umzug Ostdeutscher nach der Wende in den Westen, weil es dort mehr gut bezahlte Jobs gab.
Die Begriffe der „irregulären oder illegalen Migration“ seien „durch die politische Debatte negativ behaftet“, stehen aber oftmals für Kriegsflüchtlinge. Wer vor einem bewaffneten Konflikt fliehe, habe kaum Zeit, einen korrekten Einreiseantrag zu stellen. „Migration ist schon immer Teil unserer Geschichte, und sie wird noch an Relevanz zunehmen, gerade aufgrund des Klimawandels oder zunehmender Konflikte wie im Nahen Osten.“ Stocker weist Medien, die einseitig vor allem Fälle misslungener Integration aufgreifen, eine Mitverantwortung dafür zu, dass der Begriff „Migration“ mittlerweile so negativ behaftet sei.

In der Diskussion äußert sich eine Frau besorgt über patriarchalische Einstellungen, die Flüchtlinge aus dem arabischen Raum mit nach Deutschland bringen. Und das, nachdem sich die Frauen in Europa mühsam die Gleichberechtigung erkämpft haben. Eine andere Frau streicht indes die Vorteile durch die gegenseitige Ergänzung verschiedener Kulturen heraus. Sie akzeptiere andere Sichtweisen und habe keine Angst, sagt sie. Der Austausch sei essenziell für eine funktionierende Demokratie.
„Volkshochschule und Demokratie sind eng miteinander verbunden“
Als Verfechterin der Demokratie gilt Gretl Bauer, nach der sich vor vier Jahren die Volkshochschule in Fürstenfeldbruck benannt hat. Sie sei damit einzige Einrichtung der Erwachsenenbildung in Bayern, die nach einer Persönlichkeit benannt ist, so Christian Hörmann, Vorstand des bayerischen Volkshochschulverbandes. In Deutschland gibt es noch ganze zwei. „Unsere Volkshochschule hat ein Gesicht und einen Namen, mit dem man sich identifizieren kann“, sagt Oberbürgermeister Christian Götz (BBV). Er zeigt sich erfreut darüber, dass Bauers Enkeltochter bei der feierlichen Einweihung der spendenfinanzierten Stele, die auf die Namenspatronin hinweist, am Mittwoch unter den Gästen ist – ebenso wie Vertreter des Fördervereins.

Ein QR-Code auf der Glasplatte führt zu weiteren biografischen Details der Namensgeberin. „Volkshochschule und Demokratie sind eng miteinander verbunden, durch die freie Bildung, die wir hier ermöglichen wollen“, sagt Christian Winklmeier, Geschäftsführer der Gretl-Bauer-Volkshochschule. Deshalb sei die Vorstellung der Stele auch bewusst in der Langen Nacht der Demokratie erfolgt. Die Stele sei ein Mahnmal, das an Verbrechen der NS-Zeit erinnere, zugleich aber auch Ausdruck der Dankbarkeit über die freiheitliche Gesellschaft.
Die Mutter von Margarete Bauer-Elkan, wie Gretl Bauer korrekt hieß, eröffnet 1911 in Neu-Esting ein Kinderheim. Nach dem Tod der Eltern übernimmt Gretl Bauer 1925 die Leitung der Einrichtung. Als Halbjüdin wird sie später unter der NS-Diktatur diffamiert, 1938 wird das Heim der geschiedenen Mutter eines Sohnes geschlossen. Im April 1947 geht aus dem von ihr gegründeten „Arbeitskreis geistig interessierter Menschen“ die VHS hervor. 1984 stirbt Gretl Bauer im Alter von 90 Jahren und wird auf dem Waldfriedhof beigesetzt.