Mitten unter den Marktständen auf dem Geschwister-Scholl-Platz in Fürstenfeldbruck steht ein silbrig glänzender und fast neun Meter langer Anhänger. Auf dem wohnwagenähnlichen Gefährt prangt ein bayerischer Löwe. Der Anhänger passt zum Markt, er ist selbst ein Marktstand. An ihm wird Politik angeboten. Und das Angebot findet am Freitagnachmittag Interesse. Bei den Diskussionen mit Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann (Grüne) und Abgeordneten aus mehreren Fraktionen hören zwischen drei und vier Dutzend Personen zu.
Seit zwei Jahren ist der Landtag mit dem aus den USA stammenden und umgebauten Wohnanhänger als Landtruck unterwegs. In mehr als 20 Kommunen im Freistaat hat er schon Halt gemacht. Die mitfahrenden Landtagsabgeordneten werben für die Demokratie, stellen die Arbeit des bayerischen Parlaments vor und diskutieren über politische Themen. Der Landtag wolle ansprechbar sein, den Dialog suchen und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, sagt Hartmann. Er vertritt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die den Besuch in Fürstenfeldbruck wegen Krankheit abgesagt hat.
Das Gesprächsangebot ist eine Reaktion auf die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Aufgeheizt sei die politische Debatte seitdem, sagt Hartmann und berichtet aus seiner Zeit als Abgeordneter. Waren Leute vor der Pandemie nicht einverstanden mit dem, was er gesagt habe, habe es Leserbriefe gegeben. Nun würden die Meinungen in den sozialen Medien so geäußert, dass „selbst die beste Laune dahin“ sei, wenn er das lese. Gegen diese Entwicklung fordert der Vizepräsident einen Dialog mit Anstand und Vernunft.
Einen solchen Dialog sieht Hartmann durch die AfD gefährdet. Die Extreme und die Freunde Putins würden mehr, kritisiert er und erinnert an den Überfall auf die Ukraine. Dem müssten sich Demokraten widersetzen. Denn die Deutschen lebten auch deshalb seit 75 Jahren in Frieden, weil sie und ihre Nachbarn die bestehenden Grenzen anerkennen und nicht ändern wollten. Viel Lob hat Hartmann für die, die sich in der Kommunalpolitik engagierten. Sie müssten gestärkt werden, fordert er, denn in Städten und Gemeinden sei Demokratie unmittelbar zu erleben.
Moderatorin Ingrid Hügenell will von den Zuhörenden wissen, was die Bürger selbst für den Erhalt der Demokratie tun könnten. Sie gehe keiner Diskussion aus dem Weg, sagt eine Zuhörerin. Ein anderer Besucher wirbt für mehr Engagement in Parteien und Vereinen. Unter den Zuhörern ist auch Yildiz Tenlik. Die junge Frau ist CSU-Mitglied und Fan des Veranstaltungsformats. Sie ist nicht zum ersten Mal dabei und extra aus Nürnberg gekommen, um das Werben für Demokratie zu unterstützen.
Bei den Themen Energiewende, Wohnungsbau und Ausbau der S 4 wird es zwischen den diskutierenden Landtagsabgeordneten kontrovers. Johann Groß (Freie Wähler) aus Bergkirchen fordert, neben Wind und Sonne auch auf Biogas und Wasserkraft zu setzen. Der AfD-Politiker Andreas Winhart aus Bad Aibling lehnt die Förderung erneuerbarer Energien ab und fordert, dass Sozialwohnungen nicht verkauft werden dürften. Gabriele Triebel (Grüne) aus Kaufering bezeichnet den Verkauf von Sozialwohnungen durch Markus Söder als Fehler, und auch von einer Zuhörerin muss sich Bejamin Miskowitsch (CSU) aus Mammendorf Kritik anhören. Warum der Freistaat in der Niedrigzinsphase nicht mehr Wohnungen gebaut habe, will die Frau wissen. Bayern habe schon gebaut, sagt der Landtagsabgeordnete, aber selbst nur wenige Grundstücke.
Triebel kritisiert, dass der Ausbau der S 4 dem Bau der Stammstrecke zum Opfer gefallen sei: „Das Projekt verschwindet im Bermudadreieck von Bahn, Bund und Bayern.“ Miskowitsch widerspricht. Seit der Entscheidung für einen viergleisigen Ausbau sei „große Bewegung“ in dem Thema. Der CSU-Abgeordnete verweist auf die Verbesserungen auf den Strecken von S 3 und S 8, ein Datum für den Ausbau der S 4 will er aber nicht nennen.
Fragen an die Politiker haben bereits am Vormittag Schülerinnen und Schüler von zwei Klassen der Berufsschule Fürstenfeldbruck und vier Klassen des Viscardi-Gymnasiums gestellt. Laut Andreas Hesse, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des bayerischen Landtags, nahmen mehr als 120 Jugendliche teil. Sie sprachen mit den Landespolitikern über Energiewende, Einbürgerung und Frauenquote im Parlament. Außerdem hätten sie wissen wollen, warum Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im Amt habe bleiben dürfen, nachdem bekannt geworden war, dass in seinem Schulranzen ein antisemitisches Flugblatt gefunden worden ist.