Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Kostenlose Malkurse

Martin Becker unterrichtet Kinder während der Pandemie online

Von Florian J. Haamann

Wenn der Künstler Martin Becker von "seinen" Kindern redet, wird seine Stimme noch euphorischer, als sie es sowieso schon ist. "Wenn die Kinder in die Malschule kommen, dann ist hier richtig Halligalli, sie toben wild und freuen sich. Das macht soviel Spaß, ich mache das richtig gerne", erzählt der 64-Jährige. Seit einigen Jahren bietet er in Fürstenfeldbruck Malkurse an, das Angebot wird vor allem von Kindern genutzt. Doch mit dem Lockdown musste er erst einmal komplett zusperren. "Die Kinder waren total traurig, vor allem aber die Eltern. Ich wurde ständig gefragt, wann geht es wieder los, wann dürfen wir wieder kommen. Aber ich konnte sie nicht trösten", sagt Becker. Zumindest so lange nicht, bis er auf die Idee gekommen ist, seine Kurse einfach online per Videokonferenz anzubieten. "Am Anfang habe ich das im kleinen Rahmen angefangen für die Kinder, die ich persönlich betreue. Bis ich gemerkt habe, dass das vielleicht auch größere Kreise interessiert." Also habe er ein bisschen Werbung auf Facebook gemacht. Seitdem unterrichtet er zweimal pro Woche, freitags und samstags, Schüler aus dem gesamten deutschsprachigen Raum - komplett kostenlos.

Im Hauptberuf ist Becker Ingenieur für Versorgungstechnik. Nebenbei habe er aber seit vielen Jahren Kunstunterricht genommen. "Ich habe meinen Beruf dann ausgeübt, um mich über Wasser zu halten und deswegen war es nie notwendig, dass ich mit meiner Kunst Geld verdiene, es gab nie einen Zwang. Dennoch hat mich die Kunst immer gefesselt". Bereits als Vierjähriger habe er mit dem Zeichnen begonnen, die Kunst ist also eine Leidenschaft, die ihn sein ganzes Leben begleitet. "Ich habe die Schule gegründet, um das weiterzugeben, was ich gelernt habe". Das aktuelle Gratis-Angebot richte sich explizit nur an Kinder, Erwachsene dürfen nicht teilnehmen - auch weil Becker Kollegen, die mit ihren Kursen Geld verdienen müssen, weil sie davon leben, in der Krise keine Kunden wegschnappen möchte. Seit Oktober bietet er die Kurse für seine Schüler an, im Januar hat er das Angebot für alle Kinder geöffnet.

Teilnehmen an seinen Onlinekursen könne jedes Kind, das Lust hat, etwas zu lernen, etwa ein Dutzend Schüler betreut er aktuell pro Sitzung. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, wer Lust hat teilzunehmen, findet unter www.malschuleffb.com/online-kurse den Zugangslink. "Wir fangen jedes Mal mit einem neuen Thema an, wer neu dazu kommt, verpasst gar nichts. Ich fange auf einem einfachen Niveau an, habe aber schon einen höheren Anspruch, die Kinder kriegen schon ordentlich etwas beigebracht", sagt Becker. Von anatomischen Grundlagen bis zum Malen der richtigen Perspektiven wird alles gelehrt. Mit dem Format des Onlineunterrichts hat sich Becker schnell angefreundet, ein Unterricht sei auch dort gut möglich. Die Kinder können ihm ihre Zeichnungen über die Kamera zeigen. "Ich schaue sie mir dann an und gebe Tipps, wie sie es verbessern könnten. Das läuft richtig schön". Natürlich habe der Onlineunterricht auch Nachteile, der soziale Aspekt des Zusammenkommens fehle komplett. "Aber rein schulungstechnisch betrachtet ist das schon eine tolle Sache. Deswegen kann ich mir vorstellen, das auch nach der Pandemie auszubauen."

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Quelle:
SZ vom 27.03.2021
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