Fürstenfeldbruck:Konservative Bibeldeuter

Freie evangelische....

An der Oskar-von Miller-Straße hat die Freie evangelische Gemeinde ihre Kirche errichtet.

(Foto: Günther Reger)

Die Freie evangelische Gemeinde feiert 40-jähriges Bestehen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Reformation beendete nicht nur die exklusive Herrschaft der katholischen Kirche in weiten Teilen West- und Mitteleuropas, sondern brachte eine Vielzahl von Kirchen und Sekten hervor. Zu den jüngeren Ausprägungen gehören in Deutschland die sogenannten freien evangelischen Gemeinden, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts von der lutherischen Kirche trennten. In Fürstenfeldbruck existiert eine solche Gemeinde seit 1977, sie feiert an diesem Sonntag ihr 40-jähriges Bestehen. Die Brucker Gemeinde hat etwa 100 Mitglieder, ihr Gotteshaus steht an der Oskar-von-Miller-Straße. Die freie evangelische Gemeinde in Germering gilt als Tochtergemeinde.

Als wesentliches Merkmal bezeichnet ihr Pressesprecher Dieter Kreis, dass es sich um eine Freikirche handelt. Das bedeutet, dass jede Gemeinde autonom agiert, auch wenn sie einem Dachverband angehört, dem Bund Freier evangelischer Gemeinden, ihren Priester selber wählt und keine Kirchensteuer einziehen lässt, sondern auf Spenden angewiesen ist. Außer beim Gottesdienst am Wochenende kommen die Mitglieder zu sogenannten Hauskreisen zusammen, die der Bibellektüre gewidmet sind. Was die Glaubensinhalte betrifft, so versichert Kreis, dass man sich nicht so sehr von der evangelisch-lutherischen Kirche unterscheiden würde. "Wir legen großen Wert auf eine funktionierende Ökumene", betont Pastor Gerd Ballon. Die freie Gemeinde ist eine von acht evangelischen und katholischen Kirchengemeinden und Pfarreien des Christenrates von Bruck und Emmering, einer lokalen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

Ein wichtige Besonderheit ist, dass die Freie evangelische Kirche nur Jugendliche und Erwachsene tauft. Dahinter steht die Vorstellung, dass dieses Sakrament erst aufgrund des persönlichen Glaubens gespendet werden kann. Allerdings akzeptiere man die Kindertaufe bei Menschen, die zur Gemeinde dazukommen.

Gefragt nach der geistigen Grundlage der Freikirche verweist der Pastor der Brucker Gemeinde auf den Gedanken der persönlichen Beziehung des einzelnen Gläubigen zu Christus. Die zweite Säule ist der Bezug auf die Bibel als Gottes Wort.

Das allerdings will interpretiert werden. Die freien evangelische Gemeinden gelten als evangelikale Strömung des Protestantismus. Dass diese Freikirche auch als Sekte bezeichnet wird, weist Pfarrer Ballon als Vorurteil zurück. "Wir zählen uns eher zum konservativen Bereich", räumt er aber ein. Abtreibung, Homosexualität, außer- und vorehelicher Sex gelten als Sünde. "Enthaltsamkeit vor der Ehe ist wichtig", sagt der Pfarrer. In einem Papier des Dachverbandes heißt es, Homosexuelle würden aufgenommen, wenn sie bereit sind, sich zu ändern. Die neue "Ehe für alle", lehnt die Freikirche ab. "Wir integrieren homosexuell veranlagte Menschen in die Gemeinde, schätzen es aber nicht, wenn Homosexualität gelebt wird", bestätigt Ballon.

Dagegen können Frauen bei den freien Gemeinden predigen, Gottesdienste leiten und sogar Priester werden. Das Pauluswort aus dem Korintherbrief, wonach das Weib in der Gemeinde zu schweigen habe, gilt nicht. "Wir sind schließlich keine Biblizisten. Der Text der Bibel muss im Kontext seiner Entstehung gesehen werden", sagt Ballon. Der Zwiespalt zwischen wörtlicher Überlieferung und moderner Deutung zeigt sich in Stellungnahmen des Verbandes zur Scheidung, die als Sünde gegen Gottes Willen gilt, aber mit Verweis auf einschlägige Bibelstellen wird anerkannt, dass manche Beziehungen unheilbar zerrüttet sein können.

Nicht anders als bei den Amtskirchen, aber angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks durchaus fortschrittlich war und ist die Haltung der evangelische Freikirche gegenüber Flüchtlingen. Diese Menschen stellten eine Chance für das Land dar, es gelte mit ihnen gemeinsam die Gesellschaft weiter zu entwickeln, heißt es in einer Erklärung der Brucker Gemeinde vom Oktober 2015. Die Gläubigen seien in den Helferkreisen aktiv, berichtet Ballon. Man habe einen Fahrdienst zur Erstaufnahmeeinrichtung am Fliegerhorst für den Gottesdienst eingerichtet und in diesen Elemente in englischer Sprache integriert.

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