Fürstenfeldbruck:Kirchenasyl statt Abschiebung

Helferkreis im Landkreis protestiert gegen die Praxis des Landratsamtes, Flüchtlinge nach Ungarn auszuweisen. Ein Afghane lebte bei zwei Maisacher Pfarrern, bis er in Deutschland bleiben konnte. Das soll kein Einzelfall bleiben

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Der katholische und der evangelische Pfarrer von Maisach, Georg Martin und Stefan Ammon, haben im Frühsommer einem jungen Afghanen viereinhalb Wochen lang Kirchenasyl gewährt. Auf diese Weise ist die Abschiebung des Asylbewerbers durch das Landratsamt nach Ungarn verhindert worden. Der Mann lebt inzwischen in Neuherberg im Norden von München und wartet darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland bearbeitet wird. Wie wichtig ein solches Kirchenasyl ist, betont Ulrich Finke, evangelischer Dekan im Ruhestand aus Fürstenfeldbruck, am Beispiel eines anderen Falles. Finke setzt die Abschiebung eines an Hepatitis B leidenden Senegalesen durch das Landratsamt mit einem "Todesurteil auf bürokratischem Weg" gleich. Laut Finke bekommt der Mann in Ungarn weder Geld, noch Essen, weder eine Unterkunft, noch eine ärztliche Behandlung.

Dieser Darstellung widerspricht das Landratsamt. Der Senegalese sei von Amtsärzten untersucht und als reisefähig eingestuft worden. Um zu verhindern, dass sich eine solche Ausweisung noch einmal wiederholt, setzt der Helferkreis Asyl im Landkreis Fürstenfeldbruck, in dem sich auch Finke engagiert, verstärkt auf den Ausweg Kirchenasyl. Auf diese Weise soll laut Finke die mit der Würde des Menschen nicht zu vereinbarende Praxis der Ausländerbehörde unterlaufen werden.

Da mit der täglich steigenden Zahl der Flüchtlinge auch die Zahl der Ausweisungen zunimmt, hat der Arbeitskreis in den vergangenen Wochen alle katholischen und evangelischen Pfarreien im Landkreis angeschrieben. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass in Notfällen wirklich sofort Kirchenasyl gewährt werden kann. Laut Birgitt Epp, die, ebenso wie Finke, in dem Helferkreis mitarbeitet, seien durchaus einige Pfarrer und Pfarreien im Landkreis dazu bereit, Flüchtlingen, die nach Ungarn oder Italien ausgewiesen werden sollen, vorübergehend Asyl in einer Kirche oder einem Pfarrhaus zu gewähren. Die Helfer wollen sich auch an die beiden Moscheen in Fürstenfeldbruck wenden, um zu klären, ob auch dort Flüchtlingen bei Bedarf Unterschlupf gewährt werden kann. Das Landratsamt sieht das anders. "Aus unserer Sicht gibt es keinen Anlass für Kirchenasyl", erklärte Sprecherin Ines Roellecke am Dienstag auf Anfrage. Werde ein Flüchtling abgeschoben, geschehe das nicht aus Willfährigkeit, sondern weil das Landratsamt ausländerrechtliche Regelungen, also geltende Gesetze, vollziehe. Bis auf ein Land, nämlich nach Griechenland, würden Asylbewerber in die Länder "rücküberstellt" in denen sie in die Europäische Union eingereist sind. Flüchtlinge sind dazu verpflichtet, in ihrem Einreiseland Asyl zu beantragen.

Angaben dazu, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr bereits aus dem Landkreis abgeschoben wurden, kann der Helferkreis nicht machen. Laut Roellecke wies das Landratsamt bisher vier Flüchtlinge aus. Erst vor einigen Tagen klagte ein Sprecher der Brucker Polizeiinspektion über die erheblichen Belastungen aus der neuen Aufgabe, im Auftrag des Ausländeramtes Asylbewerber ins Ausland zu bringen. So mussten die Polizeibeamten bereits zweimal Flüchtlinge bis zur belgischen Grenze fahren, um sie der belgischen Polizei zu überstellen, oder zum Flughafen bringen und dort in die Obhut des jeweiligen Kapitäns des Passagierflugzeugs übergeben.

In einem Brief an Landrat Thomas Karmasin, Innenminister Joachim Herrmann und Sozialministerin Emilia Müller prangert Finke den beunruhigenden, schikanösen und menschenunwürdigen Umgang mit Asylbewerbern an. Als Pfarrer und Dekan im Ruhestand ärgere es ihn, so Finke, dass die C-Parteien und hier besonders die CSU, die Hardliner seien. "Ich finde es auch skandalös, wenn für Abschiebungen immer wieder Familien auseinandergerissen werden - aber keine Partei behauptet, so familienfreundlich zu sein, wie die CSU", schreibt Finke. Er erwähnt noch den Fall einer schwangeren Frau aus Uganda aus dem Asylbewerberheim in Fürstenfeldbruck, die ebenfalls in das Ungarn eines Viktor Urban abgeschoben werden sollte. Mit Unterstützung einer Anwältin sei das verhindert worden.

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