Fürstenfeldbruck:Justitia bleibt auf Abstand

Fürstenfeldbruck: Transparente Verhandlung: Im Sitzungssaal werden die Richter (hier Christoph Schütte) durch Glasscheiben abgeschirmt.

Transparente Verhandlung: Im Sitzungssaal werden die Richter (hier Christoph Schütte) durch Glasscheiben abgeschirmt.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Am Amtsgericht wird der Publikumsverkehr wegen des Infektionsschutzes auf ein Minimum reduziert. Unaufschiebbares wird aber erledigt. Und auch die Betreuungsrichter arbeiten weiter

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Der neuerliche Lockdown ist auch am Amtsgericht spürbar. Wie schon im Frühjahr sind die meisten Abteilungen für den Publikumsverkehr geschlossen. Menschen mit dringenden Anliegen werden gebeten, diese möglichst schriftlich oder telefonisch zu erledigen. Ausnahmen in dringenden Fällen, wenn etwa Fristen zu wahren sind, sind aber auch weiterhin möglich. Es muss also niemand befürchten, dass er nun wegen der Pandemie beispielsweise Nachteile beim Sorgerecht für das gemeinsame Kind erfährt oder eine geschlossene Unterbringung in der Psychiatrie jetzt ausnahmsweise ohne richterliche Anhörung erfolgen würde - die rechtsstaatlichen Prinzipien sollen auf jeden Fall weiter gewahrt werden. Es ist also am Amtsgericht Fürstenfeldbruck wie zur Zeit in so vielen Lebensbereichen: Es gibt eine Abwägung zwischen dem, was zwingend notwendig ist und dem möglichen Risiko einer Ansteckung.

Für Grundbuchamt, Rechtsantragsstelle, Nachlass- und Betreuungsgericht gilt zunächst einmal: All diese Abteilungen sind für den Publikumsverkehr geschlossen. Jedoch ist man bemüht, den Betrieb soweit als möglich und mit möglichst geringem Ansteckungsrisiko aufrechtzuerhalten. So werden beispielsweise Ausnahmen für unaufschiebbare Eilanträge oder fristgebundene Erklärungen gemacht. Allgemein werden alle gebeten, die Internetseite des Amtsgerichts zu besuchen, also auf persönliche Vorsprachen zurzeit zu verzichten, wenn es die Angelegenheit nicht unbedingt erfordert.

Unbedingt erforderlich ist allerdings zum Beispiel, dass ein Richter in einem Strafverfahren einen persönlichen Eindruck des Angeklagten erhält. Das schreibt die Strafprozessordnung vor. Eine Verlagerung eines solchen Verfahrens vom Gerichtssaal hin zu einer Telefonkonferenz ist deshalb nicht zulässig, wie der Direktor am Amtsgericht, Klaus Brandhuber, erläutert. Aktuell sind die meisten Strafprozesse abgesetzt. Ein Verfahren wegen Körperverletzung mit zwei Angeklagten und ihren Verteidigern zieht der zuständige Richter Johann Steigmayer aber durch. Der Aufwand, vier neue Termine mit zwei Anwälten zu finden, ist dem Richter zufolge höher als das Ansteckungsrisiko in den geräumigen Sitzungssälen.

Noch mehr Sicherheit und Flexibilität erhofft man sich am Amtsgericht von einer Videoanlage, mit der Strafverfahren auch virtuell geführt werden können. Der Direktor hat sie Ende 2020 bestellt; geliefert ist sie aber noch nicht.

Bei Zivilprozessen kann das Verfahren mit Zustimmung aller Beteiligten durchaus auch schriftlich geführt werden. Da jedes Verfahren individuell sei, müssten die Richter für Straf-, Zivil-sowie Familienangelegenheiten jeweils selbst entscheiden, welche verschoben werden können und welche stattfinden müssen, unterstreicht Brandhuber. "Ich habe empfohlen, Sitzungen mit über zehn Beteiligten abzusetzen", sagt er. Eine Empfehlung seitens des Ministeriums dafür gab es Mitte Januar noch nicht.

Mutmaßlich den meisten Kontakt zu anderen Menschen haben Brandhuber und seine Kollegin Nicole Morlin. Beide müssen als Betreuungsrichter unter anderem darüber entscheiden, ob jemand noch geschäftsfähig ist oder auch über die geschlossene Unterbringung von Personen in der Psychiatrie. "Da sehe ich natürlich schon für die Richter wie für die Betroffenen ein anderes Risiko." Im Schnitt sei er mindestens einmal wöchentlich in einem Pflegeheim. Exemplarisch berichtet Brandhuber von einem Tag Anfang des Monats, als er im Kreisklinikum, der Psychiatrie und zwei Pflegeheimen war. Hinzu komme, dass gerade bei alten Menschen, der Risikogruppe, eine Anhörung mit Mund-Nasen-Schutz mangels Verständlichkeit oft nicht realisierbar seit. Der empfohlene Abstand kann Brandhuber zufolge aus den gleichen Gründen ebenfalls oft nicht eingehalten werden. Und auf später verschieben lassen sich diese Dinge nicht.

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