Fürstenfeldbruck:Immer offen

Beim Tag der offenen Tür der Psychiatrie herrscht großer Andrang. Unter den 500 Besuchern sind viele, die zuvor eine ganz andere Vorstellung von einer solchen Einrichtung hatten

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

"Anders" hat sich Anna Jakob die Psychiatrie vorgestellt. Die Bruckerin hat den Tag der offenen Tür am Dienstag beim KBO-Isar-Amper-Klinikum genutzt, um sich in einer solchen Einrichtung umzusehen. Was sie erwartet hat? "Ehrlich gesagt, ich hab's mir schlimmer vorgestellt", sagt sie, "nicht so offen". Dass es die psychiatrische Klinik, die vor etwa fünf Monaten eröffnet wurde, jetzt in Fürstenfeldbruck gibt, findet Anna Jakob gut. "Ich bin überrascht, dass es so etwas Tolles bei uns gibt. Und ich bin davon überzeugt, dass das gebraucht wird".

Psychiatrie

Die hellen Räume der neuen psychiatrischen Klinik.

(Foto: Günther Reger)

Eine bessere Reaktion hätte sich die Klinikleitung nach dem Tag der offenen Tür wohl nicht wünschen können. Ist das Bild des Offenen, leicht Zugänglichen doch genau das, was die Fachleute nach Außen transportieren möchten. Und natürlich setzen sich die Ärzte und Pfleger auch für eine Entstigmatisierung psychisch Kranker ein. "Jeder Dritte kommt einmal im Leben in die Situation einer seelischen Krise", erklärt Chefärztin Gabriele Schleuning in ihrem Vortrag. Für Betroffene gebe es unterschiedliche Formen der Hilfe, fest stehe aber, je früher und lebensnäher die Patienten behandelt würden, desto besser.

Psychiatrie

Der neue Klinikgarten.

(Foto: Günther Reger)

Die Nähe der Psychiatrie zum Patienten ist deshalb Teil des Konzepts des Klinikums. Mit der neuen Einrichtung in Fürstenfeldbruck soll der alte Standort in Haar dezentralisiert werden. Denn das Einzugsgebiet des Klinikums in Haar umfasste neben München noch zehn weitere Landkreise. Patienten mussten zum Teil eine Anfahrt von 100 Kilometern auf sich nehmen, um dorthin zu gelangen. In einer akuten Krise zu weit. Und die Wohnortnähe zu den Patienten - die Einrichtung ist für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau zuständig - hat auch den Vorteil, dass für Angehörige Besuche unkomplizierter werden. Ein weiterer Kernpunkt des neuen Konzepts ist das Auslagern von stationärer in die ambulante Versorgung. "Wir wollen den Menschen dort abholen, wo er steht, in der Regel also zu Hause", erklärt Schleuning.

Psychiatrie

Das Team um Tina Bareither, Christine Ernst-Geyer, Gabriele Schleuning und Nicolay Marstrander in den neuen Räumlichkeiten.

(Foto: Günther Reger)

Natürlich gibt es in der Klinik immer noch stationäre Behandlungen. Menschen mit psychischen Leiden können sich aber auch dafür entscheiden, ausschließlich für Therapiesitzungen zu kommen oder zu Hause zu schlafen, den Tag aber auf einer der Stationen verbringen. Immerhin wisse man, dass dem Patienten die Rückkehr in den Alltag umso leichter fällt, je weniger er während einer Behandlung aus ihm herausgerissen wird. Wer wie lange und in welcher Form in der psychiatrischen Einrichtung behandelt wird, wird nicht von den Ärzten und Pflegern alleine entschieden, sondern immer in Absprache mit dem Patienten festgelegt und auf dessen Bedürfnisse abgestimmt. "Für Menschen mit Kindern, kann es notwendig sein, dass man sie zu Hause behandelt", erklärt Schleuning. Überhaupt will die helle und moderne Einrichtung bewusst noch immer gängigen Klischeevorstellungen entgegentreten. "Alle unsere Akuteinheiten sind immer offen", sagt Schleuning. Vom Konzept einer geschlossenen Anstalt habe man sich für den Brucker Standort verabschiedet. Zwischen Innen und Außen gebe es deshalb auch eine Nähe, die sich auch in der Architektur des Hauses widerspiegelt. "Wenn ich hineingehe, habe ich das Gefühl, ich gehe leicht wieder hinaus", beschreibt es Oberarzt Nicolay Marstrander.

Das Haus mit 88 Betten gliedert sich in eine Tagesklinik und Ambulanz sowie vier baugleiche Einheiten für unterschiedliche Erkrankungen. Behandelt werden dort Suchterkrankungen, gerontopsychologische Fälle, Depression und bipolare Störungen und Menschen in akuten Krisen. "Dieses Haus ist 24 Stunden am Tag geöffnet, 365 Tage im Jahr. Wenn sie Hilfe brauchen, bekommen Sie sie hier", sagt Schleuning.

Dass das Interesse an der Einrichtung riesig ist, zeigen letztendlich nicht nur die etwa 500 Besucher, sondern auch die vielen Fragen der Politiker, Anwohner und Kooperationspartner der Klinik. "Kann es sein, dass man hier jahrelang bleibt?", fragt eine Besucherin. Im Schnitt verbringt ein Patient zehn Tage in der Brucker Einrichtung. Gibt es dann noch Behandlungsbedarf, wird an eine speziell auf das Krankheitsbild ausgerichtete Einrichtung überwiesen. Einer der Besucher will wissen, ob 88 Betten ausreichen. Schleuning erklärt, man richte die Behandlungen so aus, dass die Räume nie überbelegt seien. Ein Besucher fragt, ob es eine Überweisung brauche, um in die Klinik zu kommen. "Bei akuten Krisen natürlich nicht", lautet die Antwort.

Und schließlich will ein Anwohner wissen, wie es mit den parkenden Autos in der Nachbarschaft weitergehen soll. Marstrander verspricht eine Entlastung durch die bald geöffnete Parkgarage des Hauses. "Aber, so ehrlich muss man sein, es wird nicht so werden wie vorher". Dass es Unmut unter den Anwohner gibt, verstehen Michaela Bock und Gabriele Trautner, auch wenn das für die beiden Besucherinnen nicht zutrifft. "Früher war das hier Park, es war sehr ruhig", sagt Bock. Jetzt sei das anders. "Und der Bedarf ist, denke ich, da. Man sieht ja das große Interesse", sagt Trautner und deutet nach hinten auf das Gebäude, wo große gläserne Fronten den Blick auf Hunderte neugierige Besucher freigeben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: