Fürstenfeldbruck:Herberge mit Blümchentapete

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An diesem Samstag ziehen die bislang in Gelbenholzen und Grunertshofen untergebrachten 29 minderjährigen Asylbewerber ins ehemalige Hotel Drexler um. Das liegt zentral am Fürstenfeldbrucker Marktplatz. Nun ist es an den neuen Bewohnern, den spröden Charme der Siebzigerjahre zu überpinseln

Von Stefan Salger

Fürstenfeldbruck - Dunkles Holz, knallige Tapeten, lindgrüne Kacheln: das seit zehn Jahren leer stehende ehemalige Hotel Drexler atmet den spröden Charme der Siebzigerjahre. Das altomodische Ambiente dürfte die 29 jungen Männer, die hier an diesem Samstag einziehen, kaum stören. Die 16- bis 18-jährigen Asylbewerber, die ohne Begleitung Erwachsener nach Deutschland gekommen sind, waren bislang in Übergangseinrichtungen in Grunersthofen und Gelbenholzen untergebracht. Sie stammen aus Ländern wie Syrien, Äthiopien, Eritrea, Afghanistan und Somalia, haben meist eine entbehrungsreiche Zeit hinter sich und werden sich über die neue Unterkunft auch deshalb wohl freuen, weil diese sehr zentral, mitten in der Stadt, gleich neben der Sparkassenhauptstelle am Brucker Marktplatz liegt.

Die angestaubte Optik in einem der 14 Zimmer. (Foto: Günther Reger)

Bei der Vorstellung am Freitag streicht Tommy Beer, der Leiter der neuen Einrichtung, besonders diesen Umstand heraus. Ihm ist wichtig, dass "die Jungs mitten in unserer Gesellschaft" aufgenommen werden. Und Beer, selbst Sozialpädagoge und Stadtrat der BBV, sprüht vor Euphorie und ist sich sicher, dass die "fiesen Tapeten" bald schon unter Wandfarbe verschwunden sein werden. Die von der Brucker Caritas getragene Einrichtung soll ihrem Namen alle Ehre machen: Alveni-Jugendhaus. Alveni heißt in Esperanto "Willkommen", und das steht auch auf dem Fußabstreifer vor der Eingangstür. Dass die Obergeschosse des Hauses mit seiner etwas verblassten roten Fassade bis vor zehn Jahren als Hotel genutzt wurden, darauf weisen auch die großen Schilder hin und der kleine in Messing gefasste Glaskasten mit dem Schriftzug "Hotel Garni". Die Caritas war im vergangenen Herbst sofort auf das Angebot des neuen Besitzers eingegangen und mietete die Stockwerke über der Hypo-Vereinsbank im Erdgeschoss für zunächst fünf Jahre an - mit Option auf Verlängerung. Im Herbst begannen die Umbaumaßnahmen. So musste nach Worten der Kreisgeschäftsführerin Claudia Ramminger vor allem mit Blick auf den Brandschutz nahezu die komplette Elektrik ausgetauscht und die Heizungsanlage nachgerüstet werden. 14 Schlafräume im ersten und zweiten Stock wurden mit jeweils zwei Einzelbetten ausgestattet, einer mit drei Betten. Zudem gibt es nun zwei Personalräume, in denen Erzieher auch übernachten können, einen Speiseraum und einen Saal. In den drei Küchen teilen sich jeweils zwei Personen einen Kühlschrank und jeweils vier einen Herd. Im Schulungsraum unterm Dach werden bald Computer aufgestellt. Den Jugendlichen soll über die Internetverbindung auch der Kontakt mit ihren Familien in der Heimat erleichtert werden.

Das ehemalige Hotel Drexler liegt zentral am Fürstenfeldbrucker Marktplatz. (Foto: Günther Reger)

Für Johann Wieser, den stellvertretenden Landrat, ist das neue Caritas-Jugendhaus ein großer Fortschritt. Auch deshalb, weil der Landkreis bislang die eigentliche Quote von 49 jungen, unbegleiteten Asylbewerbern mangels Unterbringungsmöglichkeiten nicht erfüllen konnte. In Grunersthofen sind seit dem Oktober 15 Jugendliche untergebracht. Im dortigen Katholischen Landschulheim werden auch nach dem Umzug der Jugendlichen in die Kreisstadt neue 16- bis 18-Jährige Flüchtlinge aufgenommen. Das Jugendhaus in Gelbenholzen, das kurz vor Weihnachten 14 unbegleitete Asylbewerber aufgenommen hatte, wird nach dem Umzug hingegen nicht mehr belegt. Der Landkreis hat bereits Geld zur Verfügung gestellt, um Alternativen wie die alte Landwirtschaftsschule an der Bismarckstraße umzubauen.

Bei der Vorstellung des Konzepts (von links): Dietmar König vom Jugendamt, Johann Wieser, Claudia Ramminger und Tommy Beer. (Foto: Günther Reger)

Um die 29 jungen Flüchtlinge im einstigen Hotel Drexler wird sich ein Team kümmern, dem neben sieben Sozialpädagogen auch eine Psychologin, eine Hauswirtschafterin und ein Hausmeister angehören. Rund um die Uhr wird immer mindestens eine Sozialpädagogin sowie eine pädagogische Fachkraft anwesend sein. Ziel ist es, dass die Jugendlichen sich auch aktiv an der Umgestaltung ihrer Räume beteiligen. Es sei ja auch sinnvoll, so Beer, dass sie lernten, wie man ein Regal an der Wand befestigt. Dann werden vielleicht auch die Blümchentapeten verschwinden.

Die Hälfte der künftigen Bewohner besucht von Montag bis Mittwoch jeweils an den Vormittagen die Brucker Berufsschule, der andere Teil ist dann am Mittwochnachmittag sowie am Donnerstag- und Freitagvormittag an der Reihe. Tommy Beer ist sehr wichtig, dass sie auch jenseits der Schule viel Kontakt haben und möglichst gar nicht dazu kommen, sich zu langweilen. So werden sich Mitglieder des Asylhelferkreises um Deutschkurse kümmern. Und der TuS Fürstenfeldbruck hat der Caritas bereits zugesagt, dass die jungen Männer in den Abteilungen ohne Kostenbeteiligung Sport treiben dürfen. Einmal am Tag wird gemeinsam gekocht, die anderen Mahlzeiten können dann je nach Bedarf selbst zubereitet werden - dafür gibt es Essensgeld. Betätigungsmöglichkeiten soll es auch in einer kleinen Werkstatt geben, die noch in einem Gebäude im Hof eingerichtet wird. Beer würde sich über Werkzeugspenden freuen oder auch über Geldspenden, mit denen sich unter anderem auch Werkzeuge anschaffen lassen. Beispielsweise Möbelspenden benötige man aber nicht mehr, so Claudia Ramminger. Einzige Ausnahme: Ein Billardtisch. So einen gibt es in Gelbenholzen, und dieser wurde von den Jugendlichen auch mit großer Begeisterung genutzt. Das, vermutet Beer, sei für die künftigen Bewohner am Brucker Marktplatz wohl der einzige "herbe Rückschlag", den sie durch den Umzug hinnehmen müssten. Nachdem aber bereits zwei Tischtennisplatten und ein richtiger Profikicker gespendet worden sind, finde sich ja möglicherweise noch jemand, der den Jugendlichen diesen Wunsch erfüllen mag. Willkommen wären auch noch weitere Helfer, die sich Zeit nehmen wollen für die jungen Flüchtlinge, und sei es nur, um mit ihnen auf den Bolzplatz zu gehen. "Sport und Musik sind für die wichtig", so Beer. Da würden sie sich nicht von den deutschen Jugendlichen unterscheiden. Eine Kooperation gibt es bereits mit dem Viscardi-Gymnasium. Die jungen Asylbewerber dürfen dort am Zirkusprojekt teilnehmen, außerdem geben ihnen Gymnasiasten Nachhilfe.

Die Aussichten für die Jugendlichen, die hier mehrheitlich wohl für mindestens ein Jahr wohnen, sind also nicht schlecht. Der Charme der Siebzigerjahre stört da kaum. Ein Blick durchs Fenster eines der grün-blumig tapezierten Zimmers im ersten Stock zeigt vielmehr ein stimmiges Bild: Gegenüber ist ein grün-weißer Betonkubus zu sehen: Die Sparkassenhauptstelle wurde ebenfalls in dieser Zeit erbaut.

© SZ vom 28.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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