Fürstenfeldbruck:Große Worte, kleine Schritte

Der Weg zur Inklusion im Landkreis ist noch weit

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Für Herbert Sedlmeier ist Inklusion im Landkreis eine "große Baustelle." Der Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Landratsamt Fürstenfeldbruck ist überzeugt: "Es nützt nichts, wenn wir Begriffe wie 'barrierefrei' und 'Inklusion' in unsere Gesetze schreiben. Wir müssen sie auch mit Leben füllen." Es sei nicht aussichtslos, aber werde noch Jahre dauern, bis in allen gesellschaftlichen Bereichen eine uneingeschränkte Teilhabe aller an allem möglich ist.

Eine dieser "Baustellen" sind die Schulen. Rechtlich vorgeschrieben ist eine Inklusion von Schülern mit Behinderung und sonderpädagogischem Förderbedarf an allen bayerischen Schulen. Dagegen wehren sich vor allem die Schulen selbst. Viele Direktoren und Lehrer an den Regelschulen seien für die Materie nicht offen genug, so Sedlmeier. Nur langsam finde ein Umdenken statt. Vielen Lehrern mangle es zum einen an Erfahrung im Umgang mit Schülern mit Behinderung, zum anderen an innerer Bereitschaft. Darüber hinaus befürchteten Eltern, dass nicht-behinderte Kinder durch die Inklusion benachteiligt werden können.

"Ein Irrglaube", sagt Sedlmeier. Rund elf Prozent der Gesamtbevölkerung hat eine seelische, geistige oder körperliche Behinderung. Auf eine Klasse mit 25 Regelschülern würden so maximal drei Schüler mit erhöhtem Förderbedarf kommen. Für ein schwerstbehindertes Kind würde man eine zweite Lehrkraft und einen Schulbegleiter benötigen. Bislang sei das bayerische Kultusministerium aber nicht bereit, dieses zusätzliche Personal zur Verfügung zu stellen. Gute Fortschritte gibt es bei der Barrierefreiheit. Alle Realschulen und Gymnasien im Landkreis wurden entsprechend umgebaut, bei den Grund- und Mittelschulen sind es etwa 90 Prozent.

"Inklusion geht über abgesenkte Bordsteinkanten und Aufzüge hinaus. Es geht um einen natürlichen Umgang miteinander - in allen Lebensbereichen", sagt Manuela Brehmer, Vorsitzende des Kreis Eltern behinderter Kinder Olching e. V. (EBK). Der Verein ging aus einer Selbsthilfegruppe hervor, die vor 40 Jahren gegründet wurde. Bis heute können sich hier Eltern und Angehörige von Menschen mit Behinderung austauschen. Im Laufe der Jahre erweiterte sich die Selbsthilfegruppe unter anderem um Inklusionsangebote wie Sportgruppen für Kinder, Ausgeh-Gruppen oder den Familienentlastende Dienst. Letzteren leitet Yvonne Resl. Sie steht mit den betroffenen Familien in engem Kontakt. Sie kennt ihre Sorgen. Noch immer sei das Thema Behinderung bei den Eltern mit vielen Ängsten verbunden. "Auf vielen lastet ein enormer Druck: Alles muss perfekt sein." Wenn dann das eigene Kind nicht ganz perfekt sei, fühlten sie sich oftmals schuldig.

"Natürlich ist es anstrengend ein Kind mit Behinderung großzuziehen" sagt Heidi von Ritter-Zahony. Die Schatzmeisterin des EBK wünscht sich, dass man in Zukunft weniger die Probleme in den Vordergrund stellt. Vielmehr könnten Eltern und Kinder voneinander lernen: Zuzuhören, geduldiger zu sein oder klarer und ehrlicher zu kommunizieren. "Gynäkologen und Kinderärzte müssen Eltern besser über unterstützende Angebote informieren", sagt Yvonne Resl. Insgesamt kontaktiert der EBK zehn Kinderärzte im Landkreis Fürstenfeldbruck. Nur von einer Praxis erhält der Verein regelmäßig Rückmeldungen. Häufig kämen Eltern nur durch Zufall zu der Olchinger Organisation. Meistens seien sie dann schon körperlich und psychisch erschöpft. Das ließe sich vermeiden, so der EBK.

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