Fürstenfeldbruck:Geschulte Integrationshelfer

Fürstenfeldbruck: "Kulturdolmetscher" heißt der Titel, den die Absolventinnen und Absolventen eines Kurses des Brucker Forums nun tragen.

"Kulturdolmetscher" heißt der Titel, den die Absolventinnen und Absolventen eines Kurses des Brucker Forums nun tragen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

In einem sechsmonatigen Kurs sind die ersten "Kulturdolmetscher" des Landkreises ausgebildet worden. Die elf Absolventen sollen nun Migranten bei Problemen des täglichen Lebens zur Seite stehen

Von Marisa Gierlinger, Fürstenfeldbruck

Wer als Migrant nach Deutschland kommt, der hat sich oft nicht aus freien Stücken dafür entschieden. Viele haben weder Zeit noch Möglichkeit, sich auf Sprache, Kultur oder bürokratische Notwendigkeiten vorzubereiten. Was sie in dem neuen Land erwartet, sind eine Menge Fragen - deren Beantwortung sie oft überfordert. In einem sechsmonatigen Qualifizierungskurs wurden erstmalig in Fürstenfeldbruck elf sogenannte Kulturdolmetscher ausgebildet, deren Aufgabe es nun ist, jene Menschen zu unterstützen. Das Besondere dabei: Die Teilnehmer haben allesamt selbst einen Migrationshintergrund. "Ihre wertvollen Migrationserfahrungen machen sie alle zu Fachfrauen und Fachmännern, die anderen den Weg erleichtern können", sagt Meliha Satir-Kainz bei der Abschiedsfeier der Absolventen. Sie ist die Initiatorin und Botschafterin dieser Aktion. Ähnliche Kurse hat die gebürtige Türkin in den vergangenen Jahren bereits in Dachau und Freising organisiert. Das Projekt sei bis zum Schluss von vielen Unsicherheiten begleitet worden, sagt Benedikt Rossiwal. Für den Geschäftsführer des Brucker Forums ist jedoch klar gewesen: "Das brauchen wir, das wollen wir, das passt wunderbar in unseren Landkreis."

Der Rahmen im Clubraum von St. Bernhard ist familiär. Etwa 30 Gäste sind anwesend, von denen sich alle zu kennen scheinen. Einige der Absolventen haben Kinder und Ehepartner dabei, die stolz von ihren Stühlen aus Fotos machen. Die Koordination und Patenschaft für das Projekt hat Mirko Sfeir übernommen. Seit Juni dieses Jahres ist der ehemalige Sozialarbeiter hauptamtlicher Integrationslotse des Landkreises und damit die Schnittstelle für alle Migrationsthemen. "Was mich vom Hocker gehauen hat waren das Herzblut, die Liebe und die viele Energie, die reingesteckt wurden."

Die Übersetzungsleistung ist nicht nur sprachlich zu verstehen: In zwölf Kurseinheiten haben die Teilnehmer das Handwerkszeug dafür erlangt, anhand ihrer eigenen Migrationserfahrungen kulturelle Unterschiede zu vermitteln und anderen Menschen aus ihrem Kulturkreis das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Ein bis zweimal wöchentlich besuchen sie die Familien, begleiten sie zu Behörden oder sozialen Diensten. Im Juli endete der Kurs mit der Präsentation der Praxisprojekte, welche die Teilnehmer eigenständig erarbeitet und durchgeführt haben. Die thematische Vielfalt reicht von Wohnungssuche über Gesundheit, öffentlichen Nahverkehr oder kulturelle Sitten.

"Ich komme aus Brasilien. Aber ich spiele kein Fußball, tanze keinen Samba und trinke keinen Caipirinha zum Frühstück", stellt Tania Buschle sich vor. Ihr Deutsch ist fast akzentfrei, sie lebt schon viele Jahre hier. Sie engagiert sich bei mehreren Projekten, unter anderem bei den Lebensmittelrettern und in der Flüchtlingsarbeit. Einer Familie aus Mosambik hilft sie beim Einkaufen und Kochen. Da auch in Mosambik Portugiesisch gesprochen wird, hat man sich an sie gewandt. Auch Amal Kharrat wurde aufgrund der Sprache einer ägyptischen Familie zur Unterstützung vermittelt. Im Rahmen ihres Projekts hatte die Tunesierin ihnen an zwei Terminen die Stadtbibliothek nähergebracht. Vor allem das umfassende Onlineangebot sei für viele überraschend. "Es gibt ganz tolle Apps, die man da runterladen kann. Für Kinder zum Beispiel, oder zum Deutschlernen", erzählt sie in gebrochenem Deutsch. Sie schwärmt von dem halbjährigen Kurs: "Es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich habe viele nette Leute kennengelernt."

Vor zwei Wochen erst wurde der letzte große Meilenstein für das Projekt gelegt - da wurde der Zuschussantrag der Sparkassenstiftung für ein Jahr bewilligt. Als finanzieller Anreiz für die Dolmetscher selbst kann das aber nicht gesehen werden: Für ihr Engagement bekommen sie lediglich eine Aufwandsentschädigung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: