Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck/Germering:Bahnticket zum Supersonderpreis

Lesezeit: 2 min

27-Jähriger wird zu Geldstrafe und Schadenersatz verurteilt. Er hat von einem Kreditkartenbetrug zulasten einer Frau aus Germering profitiert

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck/Germering

Ein ordentlicher Schreck fährt einer 61 Jahre alten Frau aus Germering durch die Glieder. Es ist Mitte 2018. Und vor ihr liegt die monatliche Abrechnung für ihre Kreditkarte, die sie sich nicht erklären kann. Über nur einen Tag im April und vier Abbuchungen verteilt sind da mehrere Hundert Euro für Bahn-Tickets bezahlt worden. Von Fahrkarten aber weiß die Germeringerin nichts. Sie erstattet Anzeige.

Gut eineinhalb Jahre später sind die Ermittlungen so weit fortgeschritten, dass zumindest einer der Tatverdächtigen vor dem Brucker Amtsgericht befragt werden kann. Die Verhandlung am Donnerstag gestaltet sich schwierig, denn der Angeklagte, ein 27-jähriger Kameruner, spricht kaum Deutsch. Ein Dolmetscher muss aus dem Französischen übersetzen. Der Mann ist 2014 nach einem Jahr in Belgien nach Deutschland gekommen und lebt in Brandenburg. Dass er im Mai 2018 mit der Bahn nach einem Besuch bei den Eltern seiner Freundin von Brüssel nach Berlin gefahren ist, räumt er ein. Was mit den drei anderen Fahrten ab Duisburg, Kassel und Zürich ist, die per Onlinebanking mit Hilfe der entwendeten Kreditkartendaten bezahlt worden sind, das freilich wisse er nicht. Seine Version: Ein in Berlin wohnender Landsmann, den er flüchtig kennt, habe ihm vor längerer Zeit gesagt, er könne verbilligte Bahntickets besorgen. Als er dann in Brüssel war und nach Berlin fahren wollte, habe er sich ein solches Bahnticket, das regulär gut 350 Euro kostet, per Mail von seinem Bekannten schicken lassen und diesen dann bei Ankunft in Berlin mit 50 Euro in bar bezahlt. Er habe keinen Verdacht geschöpft, dies könne illegal sein.

Staatsanwalt und auch Richter Martin Ramsauer sehen das anders. Gleichwohl wird schnell klar, dass sich dem Angeklagten Computerbetrug, also die missbräuchliche Onlinezahlung mit gestohlenen Kreditkartendaten, nicht nachweisen lässt. Vor allem deshalb, weil der Kameruner der einzige Nutzer eines der vier Bahntickets ist, der gerichtlich geladen werden konnte. Der Wohnort eines möglichen Mittäters, dessen Name auf einem der weiteren Tickets eingetragen war, lässt sich nicht ermitteln. Irgendwo nahe Berlin hat sich seine Spur verloren. Zwei weitere der Bahnfahrer haben Deutschland nach Worten eines als Zeugen geladenen Germeringer Polizisten mittlerweile wohl wieder verlassen. Es lässt sich also nicht ausschließen, dass eine andere Person die Tickets online bezahlt und dann weiterverkauft hat. Laut Staatsanwalt führte die IP-Adresse, von der aus die Transaktion erfolgte, zu einem Computer in Hessen. Sie lässt sich aber offenbar nicht klar einer der im Fokus stehenden Personen zuordnen.

Ungeschoren kommt der Angeklagte aber letztlich doch nicht davon. Der Staatsanwalt wirft dem Mann aus Kamerun vor, "zumindest billigend in Kauf genommen" zu haben, dass die doch verdächtig günstigen Tickets auf illegale Weise in den Besitz des Verkäufers gekommen waren. Das könnte laut Staatsanwalt als Erschleichung von Leistungen sowie Betrug geahndet werden. Der ganze Fall sei ein Beispiel für "die klassische Betrugsmasche", mit der die Bahn Jahr für Jahr um Hunderttausende Euro geprellt werde. Denn die Bankkunden wenden sich an ihre Bank und diese wiederum fordert von der Bahn die Ticketkosten zurück. Auch die Frau aus Germering hat ihr Geld wieder gutgeschrieben bekommen. "Jemand, der seit fünf Jahren in Europa und seit vier Jahren in Deutschland lebt", der müsse wissen, dass es bei solchen angeblichen Sonderangeboten eher nicht mit rechten Dingen zugehen könne.

Richter Martin Ramsauer verurteilt den 27-Jährigen, der seit einigen Monaten als Lagerist und Raumpfleger arbeitet und bereits vorbestraft ist wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung, wegen Betrugs zu 40 Tagessätzen à 15 Euro - und bleibt damit zehn Tagessätze unter dem Antrag des Staatsanwalts. Zudem muss er der Bahn den Ticketpreis erstatten und die Verfahrenskosten tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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SZ vom 10.01.2020
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